Das post-sowjetische Kino dekolonisieren – das ist das Motto des diesjährigen GoEast Filmfestivals. Seit 2001 bringt das Festival jährlich im Frühjahr vielfältige Filme aus den Regionen Mittelost-, Südost- und Osteuropa, dem Baltikum sowie Zentralasien und Kaukasus auf die Leinwände Wiesbadens. Das Motto des diesjährigen Jahres hat im Schatten der russländischen Totalinvasion in der Ukraine eine besonders Aktualität. Das Festival findet vom 26. April bis zum 2. Mai statt.
Dekolonisierung – also der Befreiungsprozess von einem Besatzer, einer Kolonialmacht oder einem Imperium in die Unabhängigkeit, findet auch und gerade in der Kultur statt. Das Kino ist dabei ein wichtiges Medium, da es diese Prozesse dokumentieren als auch marginalisierten Stimmen Sichtbarkeit verschaffen kann. Der dekolonialisierende Schwerpunkt des Festivals wird schon mit dem Eröffnungsfilm eingeführt: Aurora‘s Sunrise – ein Dokumentarfilm über den Völkermord an den Armenier*innen in den 1910er Jahren, in dem Archivmaterial mit Animationen kombiniert wird.

Im Hauptwettbewerb des Festivals konkurrieren 16 Spiel- und Dokumentarfilme um drei Preise der internationalen Jury. Darunter beispielsweise January, eine politische Coming-of-Age Filmbiografie des Regisseurs Juris Podnieks und seinem Traum, Filmemacher zu werden. Die Handlung wird umrahmt von dem lettischen und baltischen Kampf um die Unabhängigkeit von der Sowjetunion während der titelgebenden, bewegten Januartage im Jahr 1991 und behandelt so eine der vielen Facetten von Dekolonisierung in der ehemaligen Sowjetunion.
Stark vertreten ist auch der ukrainische Film, im Bereich des Dokumentarfilms durch beispielsweise Hamlet-Syndrom. In dem Dokumentarfilm wird eine Gruppe Ukrainer*innen gefilmt bei der Neuinszenierung des Theaterstücks Hamlet entlang ihrer individuellen Kriegserfahrungen. In We Will Not Fade Away wird dokumentarisch das Leben und Erwachsenwerden von Jugendlichen in Kriegszeiten im Donbas gezeigt. Auch in einer Kuzfilmsektion – den Anarcho Shorts, wird ein Kurzfilm der ukrainischen Regisseurin Nadia Parfan gezeigt, der ohne Dialog dennoch so viel sagt über das Leben und Lieben in Kyjiw zu Kriegszeiten.

Die komplexe Frage nach der Dekolonisierung des post-sowjetischen Raums und Kinos wird nicht nur innerhalb dieser und weiterer Filme verhandelt, sondern bekommt in einem begleitenden Symposium besonders viel Aufmerksamkeit. Von Freitag bis Sonntag werden jeden Vormittag Lesungen und Diskussionen mit Wissenschaftler*innen stattfinden, die zum Beispiel einordnen, wie sich Theorien der Dekolonisierung auf die Regionen des Filmfestivals und auf das Medium des Films anwenden lassen.

Einen weiteren Grund zur Vorfreude bietet die Porträt-Sektion. Es werden sechs Filme der bosnischen Regisseurin Jasmila Žbanić gezeigt, darunter frühe Arbeiten wie Esma’s Secret bis zu jüngeren, global rezipierten Produktionen, wie das Kriegsdrama Quo Vadis, Aida?.
Das Filmfestival gibt uns durch seinen regionalen Fokus die Möglichkeit, die Regionen und Kulturen aufgrund ihrer historischen Verbundenheit miteinander zu vergleichen, aber zeigt zugleich auch die Vielfalt und Unterschiedlichkeit dieser Länder. Mehr Infos zu den Festivalfilmen und dem Programm findet ihr auf der Webseite des Festivals. Mit diesem Ausblick hofft osTraum, euch Lust auf das Festival gemacht zu haben und wünscht viel Spaß beim Besuch!
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