Die 7 OsTraum Podcasts – Teil 2

Bereits vor zwei Jahren haben wir über die hörenswerten osTraum Podcasts berichtet. Seitdem sind neue Podcasts erschienen, aber auch ältere Audiospuren, die letztes Mal von uns leider unerwähnt blieben, finden sich in der aktuellen Liste. Alle Podcasts, mit der Ausnahme von „Kitchen Conversations“, erscheinen auf Deutsch und sind auf den üblichen Podcast-Plattformen kostenfrei zu finden. Das osTraum-Team hat die Inhalte der Podcasts aus einer kritischen Perspektive betrachtet, aber auch versucht, möglichst objektiv (auch wenn dies aufgrund der menschlichen Natur nur bedingt möglich ist) zu bleiben und die Interessen unterschiedlicher Hörer:innen bei der Beurteilung in Betracht zu ziehen.

7. Jurte Gespräche

„Der Podcast aus der Jurte“ – ist der Aufhänger dieses Podcasts aus Potsdam, der tatsächlich in einer kirgisischen Jurte aufgenommen wird. Die Jurte ist von ihrem Heimatort Kirgisistan sehr weit entfernt, und zwar befindet sie sich im Potsdamer Volkspark (im Nomadenland). Einmal im Monat treffen dort die Hosts Andreas und Matthias unterschiedliche Gäste und quatschen über Themen wie Kultur, Gesellschaft, Sport, Food oder Nachhaltigkeit. Die Jurte sollte somit als ein realer und gleichzeitig imaginärer Raum die Gäste in einer für Gespräche einladend warmen Atmosphäre zusammenbringen. 

Unter den Gästen sind Schriftstellerinnen, Sportler:innen, Startuper:innen und Journalist:innen, die über ihre Projekte und ihr Leben berichten. So weit, so gut, aber was macht denn die „Jurte-Gespräche“ zu einem osTraum-Podcast? Zum einen lässt sich der Ort des Geschehens (Potsdam) im Sinne unseren Spezials über die DDR auf der osTraum-Karte finden, zum anderen sind immer mal wieder Persönlichkeiten mit osTraum-Bezug zu Gast, so z.B. Martyna Gressel (Food-Bloggerin), Valentina Goldmann (Diplomatin), Zoran Drvenkar (Schriftsteller). „Jurte-Gespräche“ ist besonders für diejenigen unter euch zu empfehlen, die auf der Suche nach einem lockeren „Plauder-Podcast“ sind und sich die gemütliche Geräuschkulisse in der Jurte reinziehen wollen. 

6. Njette mädchen

„Njette Mädchen“ – das sind Walerija Petrowa und Vika Merkulova – zwei Journalistinnen, die vor allem im Rundfunk tätig sind. „Eure njetten Mädchen mit russischen Wurzeln und mittlerweile ziemlich deutschen Mentalitäten“, sagen sie über sich selbst. Der Podcast wird von ARD/SWR ausgestrahlt und erscheint zwei mal im Monat, eingeleitet von der kitschigen Pop-Musik mit einem osteuropäischen Beigeschmack. „Wir sind beide in Russland geboren, könnten für russische Pelmeni unsere Familie verkaufen, leben absurde Aberglauben und haben lange versucht, zu den Deutschen ‚dazuzugehören’ “, heißt es in der Beschreibung des Podcasts. So werden die Zuhörer:innen mit den Stereotypen über Russland und/oder russischsprachige Menschen in Deutschland konfrontiert, dabei kann man:frau sich streiten, ob der Podcast eine gute Aufklärung zum Thema bietet oder im Gegenteil Stereotype bestärkt.

Die Journalistinnen unterhalten sich über ihren russischen Wurzeln und springen von den allgemeinen Themen wie „Die Muttersprache sprechen“ oder „Feiertage mit russischer Familie“ zu spezifischen und tagesaktuellen Bereichen wie „Wie Propaganda in der russischen Popkultur angekommen ist“ oder die „Teilmobilmachung in Russland“ im Kontext des russländischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Der Podcast lässt sich insofern schwierig einordnen, da es nicht immer klar ist, für wen der Podcast gemacht wird. Die Zielgruppe scheinen diejenigen zu sein, die eher wenig Ahnung über die russische Sprache, Russland und russische Kultur haben. Gleichzeitig versuchen aber Walerija und Vika auch die russischsprachige Community in Deutschland mit den Inhalten des Podcasts anzusprechen. Im letzten Fall kann es für die Zuhörer:innen schnell langweilig werden, wenn sich die Moderatorinnen über den Einfluss des Deutschen auf die russische Sprache anhand des Wortes „парикмахер“ (aus dem Rus.: Friseur) minutenlang unterhalten.

In der PostOst-Community stieß der Podcast teilweise auf Kritik, zum einen wegen der oberflächlichen Darstellung der behandelten Themen, zum anderen wegen der Reduzierung der eigener PostOst-Identität auf „njett“ – also nett, wobei damit bereits das erste Stereotyp bzw. die ersten Stereotype im Namen des Podcasts zweideutig thematisiert werden – Aussprache, die der hochdeutschen Phonologie nicht entspricht oder eben die „netten Mädchen“ mit den Matrjoschkas auf dem Cover. Die Kritik scheint jedoch den Podcast nicht aufzuhalten, es sind schon mehr als 40 Folgen erschienen, auch die Rezensionen zeugen zum Teil auch von positivem Feedback. Wie immer, ist hier die osTraum-Empfehlung, sich selbst eine Meinung dazu zu bilden.

5. Handipenk

Ani und Anush fragen sich in ihrem Podcast „Handipenk“, was es bedeutet, armenisch in Deutschland zu sein, sich als Armenierin zu identifizieren, und widmen sich einerseits der armenischen Diaspora, wollen aber andererseits auch die armenische Kultur im Allgemeinen greifbarer und transparenter für das deutschsprachige Publikum zu machen und es an den Gesprächen über ihre Heimat teilhaben zu lassen. Mit diesen Gedanken haben die beiden Freundinnen 2020 ihren Podcast gestartet, der nun in unregelmäßigen Abständen erscheint (die letzte Folge ging im November 2022 online). Der Name des Podcasts heißt aus dem Armenischen „Wir treffen uns“ und so bietet „Handipenk“ eine Plattform zum Austausch für alle, die sich für Armenien interessieren, oder als Armenier:innen in Deutschland mehr über ihre Identitäten erfahren und ein Gespräch darüber anfangen möchten.

Die Bandbreite der beleuchteten Themen reicht von der Religion und Frauenrechten hin zur Geschichte Armeniens und dem Verständnis des „Diaspora“-Begriffes. Die Formate sind divers: mal ist es ein lockeres Gespräch, eine „Kaffeepause“, mal ein Interview in Kooperation mit anderen Podcaster:innen. osTraum schätzt an dem Podcast genau diese Diversität der Formate – es gibt sowohl informative als auch unterhaltsame Folgen. Zum Reinschnuppern können wir die Folge „Intro: Handipenk“ empfehlen, wo Ani und Anush u.a. erzählen, wie sie einander in einem Copyshop in Osnabrück kennengelernt haben.

4. Borschtsch und bier

Der wöchentliche Podcast widmet sich der Ukraine, dem russländischen Krieg in der Ukraine und der Rolle Deutschlands in diesem Themenfeld. Die Macher:innen des Podcasts streben die Inhalte für Zuhörer:innen an, „die sich für die Lage in der Ukraine interessieren, aber nicht in die Düsterheit eines Kriegspodcasts abtauchen möchten“. Der Podcast wird von der Ukrainerin Iryna sowie ihren deutschen Freunden Tizi und Christoph moderiert. Die freundschaftliche Atmosphäre soll einen zwanglosen Austausch über die deutschen und ukrainischen Gewohnheiten schaffen, was bereits durch den Namen des Podcasts und das Titelbild – Brezel, Bier und Borschtsch – klar angedeutet wird. Die Themen sind sowohl Alltagsaspekte, wie Schulfächer in der Ukraine, ukrainische Schimpfwörter oder Flirten auf Ukrainisch, als auch kriegsspezifische Fragen, wie die Einstellung der Ukrainer:innen zu späten Waffenlieferungen aus Deutschland oder die Diskussion über den Haftbefehl gegen Putin. Darüber befragen Tizi und Christoph Iryna, im Gegenzug stellt sie ihnen auch ein paar Fragen über deutsche Gewohnheiten (das steht jedoch weniger im Vordergrund). Leider werden keine Gäste in den Podcast eingeladen, wodurch sich eventuell mehr Perspektiven öffnen könnten und weniger Fragen im Raum unbeantwortet oder nur halb beantwortet hängen bleiben würden.

„Borschtsch und Bier“ wird von dem Radiosender 107.7. gehostet und von dem Verein „Ukrainer in Stuttgart e.V.“ unterstützt. Zum ersten Mal am 27. Oktober letzten Jahres ausgestrahlt, zählt der Podcast aktuell mehr als 20 Folgen. Die regelmäßige und dazu so häufige Periodizität ist für einen Podcast mit dem osTraum-Bezug einerseits erfreulich, andererseits fehlt es „Borschtsch und Bier“ an einer gewissen Leichtigkeit, was der Produktion durch den Radiosender womöglich geschuldet ist. 

3. Kitchen Conversations

„Kitchen Conversations“, also Küchengespräche, ist ein Podcast von Patrycja Rozwora, einer gebürtigen Warschauerin, die zurzeit in Berlin lebt. Die Künstlerin und Autorin spricht in ihrem Podcast mit Künstler:innen, Forscher:innen und Aktivist:innen aus osTraum. Aber auch die allgemeine Frage nach der Komplexität des kulturell-geografischen Raums, der häufig verallgemeinernd und irrtümlich als „Osteuropa“ bezeichnet wird, und die Suche nach vergessenen und noch nicht entdeckten Geschichten aus den Ländern des „Ostblocks“ und der ehemaligen Sowjetunion beschäftigt Patrycja in ihrer Arbeit. Der Name des Podcasts spielt offensichtlich auf die Küche an, als einen vertrauten Raum für politische Gespräche während des Sozialismus in den Ländern Mittel-, Süd- und Osteuropas. 

Der Podcast wird auf Englisch moderiert, was im Vergleich zu den anderen Podcasts über osTraum-Themen, eine größere, und auch etwas andere Auswahl an Gästen ermöglicht. Im Unterschied zu vielen Podcasts aus dieser Liste, wird „Kitchen Conversation“ außerdem von keiner Organisation, Verein, Radio oder Rundfunk unterstützt und lebt alleine vom Enthusiasmus des Hosts Patrycja sowie der Unterstützung ihrer Patrons bei Patreon. Die Interviews sind meistens knapp (zwischen 30 und 40 Minuten) und geben spannende Einblicke in die Lebenswelt und Projekte der eingeladen Künstler:innen. Die Interviews sind entspannte, dennoch informative Gespräche. Unser persönliches Favorit ist das Interview mit Natalia Papaeva, einer Künstlerin aus Burjatien, die zurzeit in den Niederlanden lebt.

2. Literaturpalast

Der „Literaturpalast Audiospur – Geschichten aus Südosteuropa“-Podcast richtet sich primär an die literaturbegeisterten Hörer:innen und eröffnet neue Perspektiven auf die Literaturwelt Südosteuropas. Tino Schlench trifft sich einmal im Monat mit Menschen des literarischen Lebens, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit der Literatur Südosteuropas in Berührung kommen. Durch den Podcast könnt ihr sowohl neue Autor:innen für sich entdecken, als auch noch tiefer in die vertrauten Themenbereiche eintauchen. Die Abwechslung der eingeladenen Gäste macht auf jede Folge des Podcasts neugierig, so bleiben auch die einzelnen Audiospuren lange aktuell und eignen sich gut zum später Reinhören. „Literaturpalast“ setzt sich als Ziel, die ganze Bandbreite und die Komplexität der literarischen Welt dadurch abzudecken, daher stehen nicht nur die Interviews mit Schriftsteller:innen im Fokus, sondern auch Gespräche mit Verleger:innen, z. B. Sebastian Guggolz oder Petya Lund, Übersetzer:innen und Journalist:innen. Auf der geografischen Karte des Podcasts sind viele Länder Südosteuropas anzutreffen, u.a. Rumänien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Slowenien, Albanien und Nordmazedonien. Der Podcast ist im Rahmen einer Kooperation mit dem Traduki-Netzwerk entstanden und ist somit Teil des Projekts „Common ground. Literatur aus Südosteuropa. Schwerpunktregion der Leipziger Buchmesse 2020-2022.“ Da die letzte Folge im Januar 2023 erschienen ist, bleibt erstmal abzuwarten, ob der Podcast auch nach dieser Kooperation weiter erscheinen wird.

Tino Schlench lebt in Wien, für seinen Buchblog www.literaturpalast.at wurde er bereits 2020 mit dem Buchblog-Award ausgezeichnet. Mehr dazu und über seinen Blog erfahrt ihr in diesem Artikel vom Börsenblatt. Auch der „Literaturpalast“ Instagram-Kanal mit abwechslungsreichen Fotos der rezensierten Bücher ist eine Empfehlung wert. 

1. Steppenkinder

Der preisgekrönte Podcast „Steppenkinder“ handelt von „Aussiedler“-Themen und wird von Ira Peter und Edwin Warkentin moderiert. „Steppenkinder“ ist ein Projekt des Kulturreferats für Russlanddeutsche am Museum für russlanddeutsche Geschichte in Detmold (NRW). Gut recherchiert, ausgewogen, bereichernd. Der Name des Podcasts ist eine Referenz zur kasachischen Steppe – einem Ort, an dem viele (Spät-)Aussiedler:innen zur Welt gekommen sind. 

Es geht um Auswanderung und Neuanfang in Deutschland. Ira Peter und Edwin Warkentin nehmen jede Folge einen neuen Aspekt auf die Agenda und streben mit dem Podcast an, die „Russlanddeutsche“ als eine spezifische Gruppe der „Aussiedler:innen“ im deutschsprachigen Raum sichtbarer zu machen, sowie auch universelles Wissen zu solchen Themen wie Erinnerungskultur, Migrations- und Integrationserfahrung und Identität einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Sie unterhalten sich mit eingeladenen Gästen über diverse Themen: z. B. russlanddeutsche Literatur, Schicksale der Russlanddeutschen aus der Sowjetunion, Familienforschung, die Auswirkungen der stalinistischen Diktatur für Russlanddeutsche und Aufarbeitung des Stalinismus. „Jede Folge eine interessante Geschichtsstunde“, sagt eine Rezension zum Podcast. Da können wir uns nur anschließen und den Podcast sehr weiterempfehlen. Die Zuhörer:innen lernen jedes Mal was dazu und können sich auf gut vorbereitete, wichtige Themen jede zweite Woche oder einmal im Monat freuen. In unserem Ranking ganz eindeutig die Nummer 1! 


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