Prager Kunstszene, Pt. 5: Protest im öffentlichen Raum

In der Tschechischen Republik ist es fast schon Tradition, die Politik auf künstlerische Weise zu kritisieren. Vor allem seit der Samtenen Revolution 1989 wird die zurückgewonnene Meinungs- und künstlerische Freiheit umso stärker zum Einsatz gebracht, um politische Missstände in der breiten Öffentlichkeit und effektvoll anzuprangern. osTraum möchte das Thema anschneiden und nur einige Beispiele für gelungene Kunst des Protests zeiegn.

David Černý

Der Bildhauer David Černý (geb. 1967 in Prag) ist heute einer der bekanntesten Künstler des Landes. Seine kontroversen Arbeiten machten ihn schnell bekannt. Er begann seine Karriere 1991 in einer Justizvollzugsanstalt, nachdem David und ein Freund den als Denkmal ausgestellten sowjetischen Panzer IS-2 23 in Pink bemalten. 2008 tat er das wieder und protestierte so gegen den Krieg in Süd-Ossetien und die russische Außenpolitik.

Die Stadt Prag ist eine häufige Ausstellungsfläche von Černý. Viele seiner Kunstwerke sind heute ein fester Bestandteil des öffentlichen Raumes und prägen das Stadtbild. So ist Černý der Erschaffer der berühmten Baby-Skulpturen, die am Fernsehturm von Prag-Žižkov entlang krabbeln. 

Fotos: Pljonka

Ein weiteres bekanntes Werk Černýs ist die Reiterstatue, die Kopfüber in der Passage Lucerna nahe des Václavské náměstí von der Decke hängt. Sie ist eine Parodie auf die Reiterstatue auf dem nahegelegenen Wenzelsplatz, seit Jahrhunderten ein wichtiger Treffpunkt in Prag. 

Foto: Thomas Ledl via Wikimedia (Lizenz CC-BY SA 4.0.)

Eines der kontroversesten Werke Černýs, die in den Straßen von Prag zu sehen sind, sind wohl die urinierenden Männerstatuen/-Springbrunnen im Hof des Kafka-Museums. Es sind zwei Männer, die in ein Becken in der Form tschechischer Staatsgrenzen Wasser strahlen lassen. Sie selbst stehen in diesem Becken.

Černý war es auch, der einen riesigen Mittelfinger in der Mitte der Moldau im Zentrum Prags, gerichtet auf die Prager Burg und damit den Sitz des tschechischen Parlaments, installierte. Die Installation wurde nach kurzer Zeit allerdings aufgrund fehlender Genehmigung von den Behörden entfernt.

Auch im Garten der deutschen Botschaft, auf der Insel Kampa, sowie in der Innenstadt sind weitere Černý-Skulpturen zu finden.

Bolt 958 und der Mánes-Protest

Die Künstlergruppe Bolt 958 erregt in Prag immer wieder mit spektakulärer Aktionskunst Aufsehen. So hüllten die Aktivist*innen und Künstler*innen das Transgas-Gebäude mit selbstgebauten Rauchbomben in rötlichen Nebel und konnten dessen Abriss dadurch verzögern (osTraum berichtete). Eine der Protestaktionen des Kollektivs sticht im Hinblick auf die Kunstszene und deren Verdrängung aus dem Stadtzentrum besonders hervor.

2017 schütteten die Mitglieder von Bolt 958 eine Flüssigkeit mit roten Pigmenten in die Moldau, die den Fluss temporär rot färbte. Symbolisch ließen sie das Gebäude „bluten“, um zu zeigen, dass es an seiner kommerziellen und zweckentfremdeten Nutzung leide. Die Gruppe betont, keine Stoffe verwendet zu haben, die die Umwelt schädigen.

Die Mitglieder der Gruppe sind nicht die ersten, die ihre Stimme gegen die Galerie Mánes unweit des Nationaltheaters am malerischen Moldauufer erheben. Auch viele andere Akteur*innen der tschechischen Kunstszene kritisieren die kommerzielle Nutzung der Räume und die intransparente Planung des Managements. Die Galerie wird aus staatlichen Mitteln gefördert, kommuniziert scheinbar aber nur wenig mit den ansässigen Künstler*innen. Dabei ist Mánes eine der bekanntesten Galerien in Prag mit einer Geschichte, die bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts beginnt.

Die Aktivist*innen kamen ohne Anzeige davon. Die Debatte um die Nutzung der Einrichtung des tschechischen Kulturfonds bekam aber so einen neuen Impuls.


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Titelfoto © VitVit

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