Nach unseren Berichten über den Gangsta-Rapper Olexesh und die Russian Partycore-Truppe Dawai Dawai ist eine weitere Auslegung des Russen-Kitschs an der Reihe. Die Schwermetaller von Ost+Front haben ihre ganz eigene brutale Art. Mit „ganz eigen“ ist vielleicht zu viel gesagt, denn vor allem bei ihrer ersten Platte wurden sie von JournalistInnen und KritikerInnen oft als Rammstein-Imitat abgestempelt. Sie haben dem auch nicht widersprochen – musikalische und poetische Zitate gibt es bei ihnen reichlich. Auf ihrer Facebook-Seite findet man Rammstein weiterhin unter Künstlern und Bands, mit denen Ost+Front sympathisiert. Allerdings hat sich die Band nach dieser Kritik weiter entwickelt, und heute sind ihre Mitglieder mit ihrem Äußerlichen und ihren Lyrics brutaler als ihre Vorbilder und gehen mehr in Richtung der dunklen Gothic Szene. Musikalisch erinnern sie aber immer noch ziemlich an Rammstein. Wo sie aber die Superstars übertroffen haben, ist die Provokation:
„Arbeit, Arbeit…eins, zwei, drei. Klage nicht. Arbeit macht frei.“ (Aus dem Lied „Freundschaft“ von Ost+Front).
Diese Zeilen zeigen plakativ, was das Programm der Berliner Band Ost+Front ausmacht. Die Provokation steht im Zentrum ihrer Musik. Den Vorwurf, rechtsextrem zu sein, haben sie schon am Anfang ihrer Karriere zwischen 2008 und 2013 erfolgreich abgewehrt und können heute als politisch unbedenklich gelten. Doch trotzdem, was steckt hinter diesem historischen Bezug zum Nationalsozialismus mit dem Spruch „Arbeit macht frei“? Wer sich das Video zum Lied „Freundschaft“ anschaut, merkt bald, dass es um die Freundschaft zwischen den Nationalsozialisten und den Kommunisten geht (Ja, absolut richtig. Erinnern wir uns nur an die Teilung Polens nach dem Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag 1939). Die Bandmitglieder um Herrmann Ostfront stehen in dem Video abwechselnd vor dem Olympia Stadion und dem sowjetischen Denkmal im Treptower Park. Wofür die Orte jeweils stehen, muss wohl nicht genauer erläutert werden. Ob das nun eine Erinnerung daran ist, dass die Sowjetunion ebenfalls eine Diktatur war und da auch ganze Völkergruppen und Gesellschaftsschichten reprimiert wurden? Die Entscheidung bleibt beim Publikum.
Weiterhin gibt es in dem Repertoire der Musiker das Lied „Tschernobyl“. Doch hier handelt es sich nicht um eine Erinnerung oder Sowjetkritik. Es ist Kritik am Dark Tourism, denn seit einigen Jahren gibt es auch geführte Ausflüge nach Tschernobyl. Es ist ein Ort des Grauens. Heute aber fahren Neugierige dahin und posten Selfies aus der Post-Apokalypse.
Schwieriger ist es, das Lied Dawaj Dawaj der Industrial-Metaller zu interpretieren. Der Titel soll sich eindeutig auf Russland bzw. auf Russen beziehen. Die Lyrics selbst erzählen aber womöglich von Obdachlosen, die andere Obdachlose ermorden und verspeisen. Der Spruch Dawaj Dawaj steht dabei wohl für die offene slawische Art nach dem Motto „Klar, komm zu uns! Wir haben noch ein warmes Plätzchen!“ – ein warmes Plätzchen am Spieß über dem Feuer.
Die harten Kerle aus Ost+Front zieht es aber nicht nur nach Ost-, sondern auch nach Mitteleuropa. So covern sie eben mal Moldau des tschechischen Nationalkomponisten Bedřich Smetana: Ob die angeblich „Orchestral version“ mit Keyboard gelungen ist…darüber kann man streiten. Doch sicher ist, dass die harten Kerle eigentlich gar nicht hart und böse sind – im Oktober 2016 spielten sie in Magdeburg beim Benefiz for Kids rockt-Festival. Sie haben ein Herz… zumindest für Kinder. Wer Lust bekommen hat, sie live zu sehen, hat im Oktober/November bereits viele Möglichkeiten verpasst, doch schon in der Zeitspanne zwischen Februar und April geben die Musiker wieder mehrere Konzerte.
Bildquelle: OST+FRONT via http://www.ostfront.de