Text: Aleksej Tikhonov (mit freundlicher Unterstützung von Ani Menua)
Der erste armenische Film Haykakan Sinema wurde 1912 von Vahan Zartaryan in Ägypten produziert und am 13. März 1913 in Kairo uraufgeführt. Wie der erste armenische Film, ist auch die armenische Filmgeschichte dadurch gekennzeichnet, dass die armenische Diaspora – vor allem in den USA, Russland und Frankreich – zahlreiche Produzent*innen, Regisseur*innen, Schauspieler*innen und natürlich Filme hervorgebracht hat. Unter anderem muss in dem Zusammenhang Kirk Kirkorian erwähnt werden, der 1969 40 % des Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer erwarb. 1986 verkaufte er seinen Anteil wieder. Nichtsdestotrotz waren es 17 produktive Jahre unter seiner Geschäftsführung. Das Studio produzierte unter anderem Kultfilme, wie Poltergeist (1982), Octopussy (1983) und die legendären Rocky-Filme (1976-1985[1990-2023]). Kirkorian beteiligte sich ebenfalls an Columbia Pictures.
Auch das sozialistische Armenien brachte eine Vielzahl von Filmschaffenden hervor. Der bekannteste Regisseur dieser Zeit (und wahrscheinlich überhaupt) ist Sergej Parajanov, der mit seinen Filmen Feuerpferde (Ua.: Тіні забутих предків; Ru.: Тени забытых предков) (1964) und Die Farbe des Granatapfels (arm.: Nran Guyne) (1969) Filmgeschichte schrieb. Parajanov wird von Filmkritiker*innen, -historiker*innen und -macher*innen als einer der einflussreichsten Regisseure in der Filmgeschichte angesehen. Seine Filme wurden bei Mar del Plata Film Festival, Istanbul International Film Festival, Nika Awards, Rotterdam International Film Festival, Sitges – Catalan International Film Festival und dem São Paulo International Film Festival gezeigt.
osTraum hat sich für euch jedoch nicht mit den Ursprüngen des armenischen Films befasst (wobei wir auch das später machen werden:-), sondern die 7 aktuellsten Filme aus Armenien oder von armenischen Regisseur*innen herausgesucht. 6 von 7 Filmen stammen sogar aus dem 21. Jahrhundert und einige von ihnen sind bei YouTube frei zugänglich. Viel Spaß mit unserer Auswahl!
Jivan Avetisyan
The Last Inhabitant (2016)
In einem armenischen Dorf, das zu einem der Epizentren des armenisch-aserbaidschanischen Krieges wird, bleibt Abgar zurück, allein und von Feinden umzingelt. Er wartet auf seine Tochter, die Zeugin der Ermordung ihres Mannes durch einen wütenden Mob wurde. Ein Aserbaidschaner namens Ibrahim möchte ihm auf der Suche nach seiner Tochter helfen, die nach der Ermordung ihres Mannes in die psychiatrische Behandlung musste. Wird Ibrahim ihm wirklich seine Tochter zurückbringen?
Gate to Heaven (2019)
Der Film erzählt die Geschichte von Robert – einem deutschen Kriegsjournalisten, der 2016 nach Arzach zurückkehrt, um über das zu berichten, was nach 22 Jahren neu entfacht wurde – der Krieg. Im Ergebnis seiner journalistischen Recherche trifft Robert auf Sophia – eine junge Opernsängerin, die zufällig die Tochter des vermissten Fotojournalisten Edgar Martirosyan ist, den Robert 1992 beim Fall des Dorfes Talish in Gefangenschaft zurückließ.
Anna Melikyan
Über die Liebe (2015)
Was ist Liebe? Diese Frage versuchen die Held*innen des Films zu beantworten. Eine Reihe sehr unterschiedlicher Charaktere und Geschichten über ganz unterschiedliche Lebenssituationen und doch dreht sich alles rund um die Liebe: ein junges Paar, das lieber in den Bildern von Anime-Helden lebt; eine Sekretärin, die von ihrem Chef ein obszönes Angebot erhält; eine Japanerin, die auf der Suche nach einem Russen nach Moskau kam; Graffiti-Künstler auf der Suche nach Schönheit. Der Star des Films – die tatarisch-russische Schauspielerin Renata Litvinova – ist mit ihrer individuellen Art ein 100%-Match für das Sujet. Der Film ist in voller Länge auf YouTube verfügbar:
Rusalka (2017)
Das Unglück scheint Alissa zu verfolgen, gleichzeitig hat sie aber auch unglaubliches Glück – sie hat Superkräfte. Sie kann mit dem Meer sprechen und die Ereignisse auf der Welt beeinflussen, jedoch erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Das junge Mädchen möchte auch ihr Glück in Moskau versuchen. Doch dort warten neue Probleme auf sie. Können ihr ihre magischen Kräfte helfen? Vielleicht. Doch die Kräfte bringen auch neue Verantwortung mit sich und stellen Alissa vor ganz neue Herausforderungen. Auch der Film ist in voller Länge auf YouTube verfügbar:
Maria Saakyan
Der Leuchtturm (2016)
Majak ist zwar ein Film über den Krieg, jedoch werden hier keine Kampfszenen gezeigt. Auch Feindseligkeit ist kein Thema. Der Film erzählt die tragische Geschichte von Anwohnern eines Dorfes, die zu unwissenden Zeugen des Krieges wurden. Der Krieg zerstörte ihre gewohnte Lebensweise. Aus den einst fröhlichen Menschen werden beängstigte Menschen, die zu fliehen versuchen. Nur wenige versuchen auch, der allgemeinen Panik zu entgehen. Sie bleiben da, um in ihren Häusern weiter zu leben, ihr Eigentum zu schützen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ein Arthouse-Meisterwerk, das auch einen Funken Hoffnung auf Frieden in sich trägt. Der Film ist in voller Länge auf YouTube verfügbar:
Atom Egoyan
Ararat (2002)
Der Berg Ararat ist das höchste Vulkanmassiv des armenischen Hochlandes und hat für Armenier*innen eine besondere Bedeutung. Seit über 100 Jahren befindet er sich jedoch auf türkischem Staatsgebiet, was einem nationalen Trauma gleicht.
Der Film zeigt ein katastrophales Kapitel der armenischen Geschichte mit allen Mitteln der kinematografischen Kunst und verbildlicht die Zahlen des Genozids. Die Generalprobe für den Holocaust, die am 24. April 1915 begann, lässt vielen Armenier*innen auch nach 107 Jahren das Blut in den Adern gefrieren. Es wird geschätzt, dass mehr als 1,5 Millionen Armenier*innen und mehr als 750.000 Assyrer*innen (Aramäer*innen & Chaldäer*innen) sowie mehr als 1 Million Griech*innen bei dem Genozid ihr Leben verloren. 1914 gab es in der Türkei noch 40 % Christen, heute sind es nur noch 0,2 %. Wo sind all die Christen hin? Der Film beantwortet diese Frage.
Bei der Verleihung von Genie 2003 erhielt Ararat Auszeichnungen für den besten kanadischen Film, den besten Film des Jahres, das beste Design und die besten Originalkostüme. Arsine Khanyan und Elias Koteas wurden ebenfalls als beste Schauspieler ausgezeichnet. Egoyan wurde 2003 mit dem Writers Guild of Canada Award ausgezeichnet. Ararat gewann auch den Preis der Political Film Society für den besten Menschenrechtsfilm und gewann 2004 die Goldene Aprikose beim Internationalen Filmfestival von Yerevan. Der Film ist auf YouTube verfügbar:
Henri Verneuil
Mayrig (1991)
Mutter – so der Titel auf Deutsch – ist ein halbautobiografischer Film von Verneuil. Zu den Hauptdarstellern des Films gehören Claudia Cardinale und Omar Sharif als Eltern von Azad (Henri Verneuil als Kind dargestellt). Der Film handelt von einer armenischen Familie, die den Völkermord an den Armenier*innen von 1915 überlebt aus der Türkei nach Frankreich auswandert. Der Film ist in diversen Sprachversionen bzw. mit diversen Untertitel-Optionen bei YouTube verfügbar, auch auf Deutsch:
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Titelgrafik © Sequenzen aus The Last Inhabitant (2016) und Rusalka (2017)