Die 7 Deutschrapper aus Polen

Kaum eine Musikart auf deutschen Bühnen, Bildschirmen und Smartphones ist so divers und international wie Rap. Nach dem osTraum-Ranking der 7 Deutschrapper vom Balkan ist die Zeit reif für eine Top-Auswahl der Deutschrapper*innen, die bzw. deren Familien aus Polen nach Deutschland kamen. Einige sind schon ziemlich bekannt. Einigen steht das Bekanntwerden noch bevor.

„Polen“ und „Deutsche“ sind schon lange Nachbarn. Seit vielen Jahrhunderten leben die zwei Menschengruppen nebeneinander und gehörten in Vergangenheit auch mehrmals einem Land an. Westpolnische Gebiete, z.B. Schlesien und Pommern, gehörten schon mal zu Preußen oder auch zu Nazi-Deutschland. Solche Annexionen brachten selbstverständlich viel Leid mit sich. Lediglich sind sie unter anderem dafür verantwortlich, dass sich die „Deutschen“ und die „Polen“ ähnlicher sind, als sie zugeben wollen. Die gemeinsame Geschichte betrachtet, sind sie vor allem in ostdeutschen und westpolnischen Regionen so vermischt, dass da gar keine Rede von zwei komplett unterschiedlichen Ethnien sein kann. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts gibt es auch eine verstärkte Arbeitsmigration aus Polen nach Deutschland. Viele pendeln auch zwischen den zwei Ländern. Die lange Historie spiegelt sich auch in der Kultur wieder und Rap ist ein Aspekt davon.

7. Toony (2007 bis heute)

Ende der 1980-er kam seine Familie nach Deutschland. Toony – in Polen geboren – wuchs in Düsseldorf auf. Der bekennende Katholik machte dort auch Fachabi und debütierte 2007 auf dem ersten Album des Rappers Kollegah „Alphagene“. Bei Toony wurden von Anfang nationalistische Tendenzen festgestellt. Nur ein paar Zeilen aus seinem Lied „Deine Stärke“, das ihm den Durchbruch in der Szene brachte:
„Polnisches Blut, geboren in Oberschlesien […] Mein Opa musste unter Zwang marschieren für die Wehrmacht […] Denn deine Stärke, die ist dein Land|Folge deinem Schicksal mit dem Herz in der Hand […] Polska in meinem Herzen und der Stolz dafür tötet auch“
Im August 2016 gab der Rapper bekannt, das er ab sofort aus dem Deutschrap aussteigt. Daraufhin folgte sein Umzug nach Polen. Er konzentrierte sich auf seinen Online-Shop mit Merchandising-Waren für „stolze Polen“. Seine Social Media Beiträge stellte es auf Polnisch um…dann wieder auf Deutsch. Sein Wort hat er nicht gehalten und veröffentlichte dann später weiterhin Lieder… ebenfalls auf Deutsch.

6. Die Bandbreite (1998 bis heute)

Der Name soll das Programm sein – Diversität und Toleranz. Das sehr politische Duo-Projekt um DJ Torben (DJ Peter wäre doch auch gut, oder?) und Marcel Wojnarowicz aka. Wojna (dt.: der Krieg) entstand in Duisburg. Die „Polit-Pop-Band“, wie sie sich selbst bezeichnen, verarbeitet in ihren Texten oft Verschwörungstheorien, so z.B. über den angeblich von der US-Regierung organisierten Anschlag am 11. September oder der „inszenierten“ Mondlandung von Neil Armstrong. Vor einem Jahr veröffentlichte die Band gar ein Video zum Lied „Bitte impft sie nicht!“, was Eltern davon abbringen soll, ihre Kinder zu impfen. Wie die Songtexte, so auch das politische Spektrum der Band ist sehr breit… im negativen Sinne. Angefangen bei radikal linken Ansichten, befindet sich das Duo mittlerweile im rechten Spektrum. Kritisches Denken ist gut, doch einige können damit übertreiben und die Band ist ein Beispiel dafür.

5. Bartek (2004 bis heute)

Bartek tritt als Solokünstler selten auf. Oft erschien und erscheint er mit seinen zahlreichen Freunden unter verschiedenen Namen – Maeckes & Plan B, Die Orsons. Er selbst ist dabei Plan B – so sein ehemaliger Künstlername. Da es aber auch einen brittischen Hip-Hop-Artist unter dem Namen gibt und der etwas bekannter als Bartek ist, hat Bartek sich in Bartek umbenannt, was eigentlich auch sein bürgerlicher Name ist. Bartek Nikodemski, geb. 1983 in Wrocław, macht eine Mischung aus Spaßrap und Hipster-Rap, wie er von einigen Fans des harten Raps gebrandmarkt wird. Letztendlich merkt die Zuhörerschaft schnell, dass Bartek kein Gangsta- oder Straßen-Rapper ist und auch nicht sein möchte. Rap macht ihm Spaß und er spielt sehr gern mit den Klischees, die im Deutschrap existieren. Bewusst macht er sich über sie lustig, in dem er knallige Farben benutzt und Texte schreibt, die zumindest teilweise Kinderlieder sein könnten.

4. Kaas (2007 bis heute)

Lukas Michalczyk – ebenfalls einer aus der Reihe der Orsons. Der Rapper aus dem bürgerlichen Reutlingen steht beim Stuttgarter Label Chimperator Productions unter Vertrag, genau wie Bartek. Bis Sommer 2018 war die Plattenfirma ebenfalls die Heimat des Rappers Cro, der mit all seinen drei Alben Platz 1 der deutschen Charts erreichte. Allgemein scheint das Label zum größten Teil Musiker zu popularisieren, die tatsächlich Musiker sind und keine „Jungs von der Straße“. Nach einer längeren Pause veröffentlichte Kaas vor wenigen Monaten die Single „Gift“, die seine neue EP ankündigt. In dem Video greift er aktuelle Tendenzen auf und erscheint im Bild als die deutsche ironische Kopie des US-amerikanischen Gangsta-Rap-Newcomers 6IX9INE.

3. Fresh Polakke (2013 bis heute) 

Erst auf Platz 3 fängt der wirklich gute Rap an. Fresh Polakke aus Berlin-Spandau ist eher als Battle-Rapper bekannt. Bei dem bekanntesten Verbal-Wettkampf Deutschlands Rap am Mittwoch erreichte er den zweiten Platz. Fresh Polakke ist aber auch nicht nur als Battle-, sondern auch als Street Rapper unterwegs. Seit April 2017 veröffentlichte er zwei online EPs, die kostenlos zum Downloaden bereit stehen – „Illegaler Download“ und „Rha Tfu“. In seinen Texten amüsiert er sich oft über die Klischees, die es in Deutschland über Polen gibt. Zwischen den Zeilen der Ironie ist aber Sozialkritik versteckt, die auf die immer noch bestehenden rassistischen Vorurteile in der deutschen Gesellschaft abzielt. Viele Fans wünschen sich Konzerte oder komplette Alben von ihm. Ob der Wunsch in Erfüllung geht, ist noch unklar. Klar ist aber, dass der Rapper seit neuestem Rap-Workshops anbietet, wie er auf seiner Facebook-Seite verkündete. Um das Warten auf die großen Nachrichten zu verkürzen, schaut euch sein populärstes Video an:

2. KRIME (2017 bis heute) 

Der jüngste, aber auch einer der talentiertesten oder gar der talentierteste, in dem Ranking ist KRIME. Die westdeutsche Stadt Freiburg wird wohl kaum mit Rap assoziiert. KRIME – eigentlich Kevin Wrzesinski – schafft dabei in seinen wenigen, dafür aber sehr gut produzierten Videos, eine Stimmung, die so auch in den Videos Neuköllner oder Kreuzberger Rapper beobachtet werden kann. Seine Videos erschienen auf dem YouTube-Channel des Frankfurter Labels 385ideal. Nicht zufällig, denn das Label bietet mit seiner Reihe VdSidC (Von der Straße in die Charts) neuen Rapper*innen die Chance auf Bekanntheit. Außerdem ist einer seiner größten Vorbilder – Olexesh, der bekannteste Rapper des Labels, der als Kind aus der Ukraine nach Deutschland kam. KRIME ist gerade mal 17 Jahre alt und seine Rhymes und Flows könnten locker viele „erwachsene“ Rapper alt aussehen lassen. Die Rap-Welt ist gespannt. KRIME steht am Anfang einer ganz neuen Generation, für die Facebook tot bzw. eine Plattform für alte Säcke ist. Auf FB hat er um die 500 Fans, auf Instagram dagegen über 20 000. Wer sich sein neues Lied „Alles läuft nach Plan“ anhört, kann zwischen den Zeilen herauslesen, dass das Label 385ideal wahrscheinlich auf seinen 18. Geburtstag wartet, um einen Vertrag mit ihm zu unterschreiben.

1. Schwesta Ewa (2012 bis heute) 

Den ersten Platz verdient eine Rapperin – Schwesta Ewa. Oft geht es im Deutschrap um Drogen, Kriminalität, Integration bzw. soziale Ausgrenzung von Migrant*innen. Probleme in der Schule, warum „die Deutschen“ spießig sind, Handel mit Hash. Nichts derartiges bei Schwesta Ewa. Sie ist keine Freestyle- oder Street-Rapperin. Sie ist eine Gangsta Rapperin und damit wohl auch die erste oder zumindest die bekannteste Frau in dem Genre in Deutschland. Nicht ein Mal mit 18 Jahren kam sie nach Deutschland. Bald fing sie im Kieler Rotlicht-Milieu als Kellnerin an und wurde dann selbst im „ältesten Gewerbe der Welt“ tätig. Später stieg sie auf und wurde selbst zur Vermittlerin von Mädchen an Kunden. Nach ihrem Umzug nach Frankfurt verhalfen ihr Celo & Abdi vom Label 385ideal, aber vor allem XATAR (Rapper und Chef vom Label Alles oder nichts) zum Rap. Seit 2012 arbeitet sie mit XATAR und steht bei ihm als Rapperin unter Vertrag. In Medien ist sie sehr präsent, lediglich weniger als Rapperin, sondern als Zuhälterin. Endgültig wurden die Vorwürfe des Menschenhandels nicht bewiesen. Das Verfahren läuft.


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Bildquelle aus der Titelgrafik © OWC

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