Bad Ems an der malerischen Lahn ist heutzutage vor allem als ein renommierter Kurort sowie als Sitz des rheinland-pfälzischen Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz bekannt. Manche mögen sich auch an die “Emser Depesche” im Jahr 1870 erinnern, die eine entscheidende Rolle beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges gespielt hat. Weniger präsent ist jedoch der Zusammenhang dieser charmanten Stadt mit dem osTraum. Dabei besteht nicht nur eine historische Verbindung zum osTraum, sondern auch eine direkte Beziehung zum aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Um dies zu verstehen, ist hier ein Blick in die Vergangenheit nötig und das osTraum hat die Geschichte kurz und knapp zusammengefasst.
Im 19. Jahrhundert erlebte Bad Ems seine Glanzzeit als ein sogenanntes “Weltbad”, was sich bis heute in prachtvollen Bauwerken im Stadtbild widerspiegelt.

Der Ort diente damals als die Sommerresidenz für europäische Monarchen, wie beispielsweise Zar Nikolaus I. und Zar Alexander II. Auch Künstler und der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewskij sowie der ukrainische Schriftsteller Mykola Gogol’ bzw. Nikolaj Gogol’ waren Gast. Besonders einschneidend für die Stadtgeschichte war jedoch die Präsenz von Zar Alexander II. (1818-1881), der Bad Ems zwischen 1838 und 1876 oft besuchte.

Er war für den Bau der dortigen russisch-orthodoxen Kirche verantwortlich. Sie wurde 1874 bis 1876 am linken Ufer der Lahn errichtet und der Märtyrerin Alexandra geweiht, der Gemahlin des römischen Kaisers Diokletian. Gleichzeitig gedenkt die Kirche Kaiserin Alexandra Fjodorowna, der Ehefrau Zar Nikolaus I., die den Bau der Kirche finanziell unterstützte.

Heute ist diese Kirche Teil der Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland. Sie gehört somit zur Diözese der Russisch-Orthodoxen Auslandskirche. Sie ist seit 2007 wieder offiziell dem Patriarchat von Moskau unterstellt. Insgesamt sind 77 Gemeinden innerhalb Deutschlands bei dieser Diözese vermerkt. Zum Vergleich: Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hat 11 Gemeinden in Deutschland vorzuweisen (Stand: März 2023), Tendenz steigend.
Gesetze gegen die ukrainische Kultur made in Bad Ems
Die Stadt Bad Ems erinnert heute auch an ein einschneidendes Ereignis für die ukrainische Erinnerungskultur und Geschichte: Am 30. Mai 1876 wurde von Zar Alexander II. im Vier-Türme-Haus der Emser Erlass unterzeichnet. Dieser zielte auf die Unterdrückung ukrainischer Kultur durch das Verbot von Druckschriften und Aufführungen in ukrainischer Sprache. Neben weiteren Bestimmungen steht in diesem Erlass:
„Um die gefährliche und staatsgefährdende Tätigkeit der Ukrainophilen zu unterdrücken, wäre es zweckmäßig, von jetzt an bis zur Ausübung des Ermessens folgende Maßnahmen zu treffen: […] 2. Im Reich den Druck von Originalwerken oder Übersetzungen in demselben Dialekt zu verbieten, mit Ausnahme historischer Denkmäler […]. 3. Einheitliches Verbot aller Bühnenaufführungen, Notentexte und öffentlichen Lesungen im gleichen Dialekt […].“
Damit wurde die öffentliche Verwendung der ukrainischen Sprache im Russischen Kaiserreich verboten. Außerdem wurde sie als „Dialekt“ herabgesetzt. Eine Gedenktafel von der Ukrainischen Gemeinschaft erinnert heute daran.

Putins, Bad Ems und die antiukrainische Geschichtsschreibung
Mit der Ausweitung des russländischen Krieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 hat dieser Gedenkort (leider) wieder mehr Symbolkraft für die schon lange gegen die Ukraine gerichtete politische Auslegung der russischen Geschichtsschreibung gewonnen. Bereits vor dem 24. Februar 2022 hatte Wladimir Putin im Juli 2021 in seinem Essay „Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern“ den Emser Erlass als eine gerechtfertigte Schutzmaßnahme des Zaren verteidigt und damit als Baustein in der vorbereitenden Rechtfertigung des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 verwendet. Er schrieb, hier in deutscher Übersetzung:
“Wir wissen, dass es das Valuev-Rundschreiben von 1863 und dann den Emser Erlass von 1876 gab, die die Veröffentlichung und Einfuhr von religiöser und gesellschaftspolitischer Literatur in ukrainischer Sprache einschränkten. Es ist jedoch wichtig, sich den historischen Kontext vor Augen zu halten. Diese Entscheidungen wurden vor dem Hintergrund der dramatischen Ereignisse in Polen und dem Wunsch der Führer der polnischen Nationalbewegung getroffen, die “ukrainische Frage” zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ich möchte hinzufügen, dass weiterhin belletristische Werke, Bücher mit ukrainischer Poesie und Volkslieder veröffentlicht wurden.”
Wladimir Putin erwähnt in seinem Essay (bzw. dem Essay seines Ideologie-Teams) viele weitere Phasen der ukrainisch-russischen Geschichte und vermittelt seinen eigenen Blick auf die Realität. Seine Ausführungen sind dabei ausschließlich ganz im Sinne des russischen Nationalismus und historisch nicht plausibel.
Auch die Stadt Bad Ems distanziert sich von Putins Aussagen. Etliche Mahnwachen und Solidaritätsbekundungen, auch mit Beteiligung des Stadtbürgermeisters und Verbandsbürgermeisters sowie Bürger*innen, finden seit 2022 regelmäßig statt. Bad Ems liegt heute in Rheinland-Pfalz, ist aber im Herzen eine Stadt im diversen und kulturreichen osTraum, in dem nationalistische und totalitäre Ideologien keinen Platz haben.
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Alle Fotos © Sophia Sonja Guthier für osTraum