Text: Stefan Radaković & Aleksej Tikhonov
Der vorletzte Präsident der Tschechischen Republik Miloš Zeman war ein umstrittener Politiker. Einerseits zeigte er eine pro-israelische Haltung und war ein Befürworter der EU-Mitgliedschaft seines Landes. Auf der anderen Seite hat er eine Annäherung an China und Russland angestrebt, sich für Kernenergie ausgesprochen, Protestaktionen von Pussy Riot ins Lächerliche gezogen und war ein klarer Gegner von der Ausweitung von LGBTIQ*-Rechten. Am prominentesten war seine Veto-Androhung gegen das Gesetz über die gleichgeschlechtliche Ehe. März 2023 veränderte jedoch alles.
Rund 5,8 Millionen Wähler*innen entschieden über die Zukunft Tschechiens. Miloš Zeman ging in Rente und der Populist Andrej Babiš hat die Wahl verloren. Zum neuen Präsidenten der Tschechischen Republik wurde General a.D. [außer Dienst] Petr Pavel.
Populismus gegen General a.D. & TikTok
Doch fangen wir von Anfang an: Mit der Niederlage der Partei ANO (zu Deutsch: JA, Aktion der Unzufriedenen Bürger) bei den Parlamentswahlen Ende 2021 musste Babiš seine Rolle als Premierminister abtreten. Durch eine neue Koalition der bisherigen Oppositionsparteien fing das Land an sich in eine progressivere Richtung zu bewegen. Mit den anstehenden Präsidentschaftswahlen war klar, Babiš wird für ANO kandidieren. Dem Ex-Premier wurden in seiner Partei gute Chancen auf den Sieg zugesprochen. Die Öffentlichkeit und die Medien waren dabei weniger optimistisch, was den Politiker betrifft. Gegen Babiš wurden traten zwei Kandidat*innen die Wahl an: Petr Pavel und Danuše Nerudová. Beide sind ohne eine politische Partei angetreten und beide haben einen großen Zuspruch von der Öffentlichkeit erhalten. Pavel ist als ehemaliger General der tschechischen Armee und NATO. Vor seiner Kandidatur war er im öffentlichen Leben nicht all zu bekannt, bekam aber den Zuspruch vieler Menschen aus der Kulturbranche, vom Theater bis zum Film, gaben Regisseure, Schauspieler, Rektoren etc. ihre Unterstützung für Pavel bekannt. Nerudová hingegen stieg in sozialen Medien auf. Vor allem auf TikTok und Instagram, wo die Kandidatin in kurzen Videos ihr Programm und ihre Ziele erklärte, erreichte sie ein junges Publikum und Auslandstschech*innen mit ihrer Kampagne. Was Nerudová auszeichnete war ihre empathische Art, und politische Ausrichtung die sehr an die von der slowakischen Präsidentin Zuzana Čaputová erinnere.
Babiš nutzte Desinformationskampagnen als Wahlkampfmittel. Vor allem Pavels Verbindungen zur NATO wurden scharf kritisiert. Plakate mit der Aufschrift “Ich werde Tschechien nicht in den Krieg schicken! Ich bin Diplomat. Kein Soldat” sorgten für Empörung und Spaltung. Der vermeintlichen Anti-Kriegsstatements kommen uns auch in Deutschland bekannt vor. Obwohl Populismus sich lange Zeit im Land halten konnte, zeichnete der Krieg Russlands gegen die Ukraine ein anderes politisches Bild. Der russlandfreundliche Kurs von Zeman und Babiš verlor immer mehr an Zuspruch.
Populist Babiš verliert: Mehr LGBTIQ*-Rechte & Meinungsfreiheit
MItte Januar wählten die Tschech*innen im ersten Wahlgang ihren Favoriten: Pavel mit 35,40 % und Babiš mit 34,99 %. Nerudová schied mit dem dritten Platz und 13,92 % aus. Im Ausland holte sie aber 28,48 % den zweiten Platz deutlich vor Babiš, der mit 4,06 % auf dem vierten Platz landete. In der zweiten und finalen Runde erhielt Pavel 95,21 % der Stimmen von Auslandstschech*innen, mit nur einer Ausnahme: Russland, wo es ein unentschieden zwischen den beiden Kandidaten gab.
General a.D. Petr Pavel ist nun bis 2028 der neue tschechische Präsident. Während seiner Auslandsbesuche hat Pavel als erstes Land die Slowakei besucht. Dort traf er die Präsidentin des Landes, Zuzana Čaputová, sowie den slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger. Pavel legte Kränze am Denkmal der Gründer der Tschechoslowakischen Republik, Tomáš Garrigu Masaryk und Milan Rastislav Štefánik, nieder. Anschließend legte er auch Blumen an der LGBTIQ*-Bar Tepláreň nieder, wo im Oktober 2022 ein 19-jähriger Rechtsextremist zwei Gäste erschossen hat – Matúš Horváth und Juraj Vankulič. Petr Pavel äußerte sich zudem bei einem Treffen mit Zuzana Čaputová dafür aus, dass homosexuelle Paare die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben sollten, wie andere Menschen, einschließlich der Adoption von Kindern:
Wir sollten Kindern ermöglichen, in einer Umgebung aufzuwachsen, die ihnen nicht nur einen materiellen, sondern auch einen emotionalen Hintergrund bietet
sagte Petr Pavel auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen. Er erklärte ebenfals, dass er sich prinzipiell gegen jede Form der Diskriminierung wehre, unabhängig davon, ob es sich um eine Minderheit nationaler Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung handelt.
Abgesehen von dem Besuch der LGBTIQ*-Bar Tepláreň in Bratislava, würdigte er während seines Besuchs in der Slowakei das Andenken des Journalisten Ján Kuciak und seiner Partnerin Martina Kušnírová, die im Februar 2018 ermordet wurden. Kuciak hat zum Zeitpunkt seiner Ermordung als Investigativ-Journalist an einem umfangreichen Bericht über die Verbindungen zwischen der Slowakei und der italienischen Mafia-Vereinigung “Ndrangheta” gearbeitet.
Zuspruch für Russlandstudien & Sinologie
Im Sommer 2023 besuchte der Präsident Österreich. In seiner Rede an der Diplomatischen Akademie Wien äußerte er sich über seine klare Positionierung gegenüber Russland und China. Er betonte, dass es strategisch von enormer Bedeutung ist, ein gutes Verständnis über der Denkweise Russlands und Chinas zu haben und dafür ist es absolut notwendig, dass in Österreich und Tschechien die Fächer Russlandstudien und Sinologie erhalten bleiben.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir ein gutes Verständnis für die russische Denkweise haben, aber dasselbe gilt für China. Daher benötigen wir Personen, die in Sinologie und russlandstudien ausgebildet sind. Wir müssen verstehen, wie sie die Geschehnisse um sich herum einschätzen, denn wenn wir sie nach unseren eigenen Denkmustern beurteilen, kommen wir in der Regel zu falschen Schlussfolgerungen.
Mit diesen Ansichten zu LGBTIQ*-Rechten, Meinungsfreiheit sowie dem Verständnis über Russland und China hat der tschechische Präsident Petr Pavel bereits früh in seiner Amtszeit wichtige Positionen eingenommen. Es bleibt abzuwarten, wie er diese Ansichten in der praktischen Politik umsetzen wird.
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