Dass Genregrenzen in der Musik mehr und mehr aufgelöst werden ist kein neuer Trend. Dabei sind es heute aber vor allem keine „radikalen“ Mixturen mehr, wie Metal + Rap = NuMetal. Dafür dehnen sich Bands in benachbarte Gefilde aus. Hardcore- bzw. Hardcore Punk-Wurzeln treffen auf eingängige Gitarren-Riffs oder aus Black Metal und Shoegaze wird Blackgaze. In diesen Fällen wird oft die Schublade „Post-Metal“ oder auch „Post-Hardcore“ aufgemacht.
Dass Russland kein weißer Fleck auf der Karte von Metal und Post-Metal ist, ist zumindest in der Szene bekannt. osTraum hat eine kleine und ohnehin unvollständige Liste hörenswerter und neuerer Bands aus dem Land zusammengestellt:
Reka (Moskau)
Reka sind sicherlich eine der Bands, die auch über den Ostraum hinaus Bekanntheit erreicht haben. Dies liegt an den häufigen Touren nicht nur durch Westeuropa, sondern auch am kosmopoliten Charakter der Band. Ihr letzter Output „Jupiter“ war auf Französisch (wie einiges davor auch schon), die Vorgänger-EP „Dvala“ auf Schwedisch..
Reka sind seit 2007 in unterschiedlichen Zusammensetzungen aktiv, und über die Jahre hat sich die Band immer weiterentwickelt und wird immer klarer in ihrem eigenen Stil. Grundsätzlich kann man sich Cult of Luna oder Amen Ra orientieren. Sludgiger Post-Metal, lange gitarrengetriebene Spannungsbögen und hardcorige Breaks, versetzt mit sporadischen Vocals. Reka sind eine absolute Macht in dem Genre und es scheint, dass sie nach längerer, ruhiger Phase von 2014 bis 2019 nun auch wieder aktiver geworden sind und vermehrt touren…zumindest war das so vor den weltweiten Ausgangsbeschränkungen.
Show me a Dinosaur (St. Petersburg)
Bei Show me a Dinosaur aus St. Petersburg ist der klassische Metalhintergrund weniger hervorstechend. Es ist ein Wechsel zwischen Post-Hardcore und Post-Rock Gitarrenmelodien, die mit Effektpedalen besonders hervorstechen, und der Wucht der Breaks, der gelegentlichen Vocals und den Blastbeat-Gewittern.
Man fühlt sich vielleicht ein wenig an die Franzosen von Celeste erinnert, doch fehlt Show me a Dinosaur die Eintönigkeit und die alles platt-walzende Krachwand.
Wowod (St. Petersburg)
Dem klassischen Metal kommt man mit Wowod, einer weiteren Band aus St. Petersburg näher. Das Tempo auf ihrem Debüt Nutro ist insgesamt reduziert, die Melodien in den Hintergrund verschoben und der Gesang variiert zwischen Metal und Hardcore-Stimmlagen. Zwar gibt es auch hier die allgegenwärtigen Blastbeats, doch geht es nicht in die träumerische Shoegaze-Ecke sondern man driftet eher mal in den Stonerrock ab.
Spannend wird auch das neue Album, das für März 2020 angekündigt war. Denn auf dem bisher veröffentlichten Song geht die Band einen Schritt weiter, es wird melodischer, langsamer, atmosphärischer, dichter und klarer Gesang ersetzt das Geschrei.
Trna (St. Petersburg)
Für Fans langer Post-Metal / Post-Rock Songs sind Trna ein Muss. Auf der aktuellen vier Song LP „Earthcult“ bleibt nur das erste Lied unter 15 Minuten – um genau zwei Sekunden. Von ihrem Label (Elusive Sound, wie Show me a Dinosaur auch) werden sie als Pioniere des „celestial blackgaze“ beschrieben. Die Lieder sind alle nur instrumental und sind sicher ein großer Genuss auf einer richtig guten Anlage, die die Feinheiten und diversen Ebenen der Musik wirklich zur Geltung kommen lässt.
Toluca (Moskau)
Ein besonders abwechslungsreicher Vertreter russischen Post-Metals sind Toluca aus Moskau. Hier sind die Metalanleihen ebenfalls um weitere Einflüsse ergänzt. Die langsamen, melodischen Phasen erinnern weniger an verträumten Shoegaze als an klassischen Screamo z.B. im Song „Raum“. Auch die Vocals stechen durch ihre Mehrstimmigkeit hervor und teilweise scheint es, als ob der Sänger der US-amerikanischen Locktender / Men as Trees nun auch auf Russisch kreischt.
Im eröffnenden „Leraje“ kommt noch ein Piano zum Einsatz. Zum Abschluss gibt sich der Sänger der japanischen Band Heaven in her Arms Kent Aoki noch die Ehre mit einem geradezu klassischen japanischen “Spoken Word” Part und zwischendrin präsentieren Toluca eine wahnsinnige Melange aus Harmonie und Wucht, die ihres Gleichen sucht.
Olhava (St. Petersburg)
Olhava spielen „klassischen“ Blackgaze, keifende Vocals, durchgehende Blastbeats und hintergründige Melodielinien sowie sphärische Klänge. Es wundert nicht, dass die Mischung an die Genregrößen Deafheaven erinnert. Das macht aber überhaupt nichts. Die Qualität der Songs und die massiven Soundwände sprechen für sich.
Ein Alleinstellungsmerkmal sind zudem, die längeren dronigen Interludes zwischen den Songs. Richtig erstaunlich wird Olhava dann, wenn klar wird, dass es eine Zwei-Mann-Kombo ist. Wie schaffen es zwei Personen, soviele Soundschichten übereinander zu packen? Nicht zuletzt deshalb sind Olhava ein weiteres Beispiel für das hohe (technische) Niveau im russischen Post-Metal Bereich.
Supruga (Samara)
Dass es auch eine Szene außerhalb von Moskau und St. Petersburg gibt, zeigen Supruga aus Samara. Das Wort „Geballer“ kommt einem bei den ersten Liedern sofort in den Kopf und zwar im positiven Sinne. Straighter, double-bass getriebener, metalliger Hardcore.
Da Supruga eine Sängerin und zumindest in einigen Liedern melodische Gesangsparts haben, lässt es die Hörer*innenschaft an Bands wie Walls of Jericho denken, allerdings ohne dass Supruga sich dem Stadionrock ankuscheln würden.
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Foto in der Titelgrafik: REKA
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