Die Nachbarschaft ist eine besondere Form der Beziehung. Die größte Freude bringt sie, wenn sie auch Freundschaft bedeutet. Was macht die deutsch-polnische Nachbarschaft aus? Sie ist historisch betrachtet so ambivalent, wie wenige andere. Auffällig ist, dass Pol*innen und Deutsche in zahlreichen Vereinen, Verbänden und Initiativen zusammenarbeiten. Dennoch haben viele Deutsche kein positives Bild von Polen, sondern sehen nur ein konservativ-katholisches Land, durchflutet von EU-Skepsis und übersteigertem Nationalismus. Den meisten kommt es vor, als gäbe es mehr Trennendes als Verbindendes. So kommt auch selten Lust auf, sich mit dem Nachbarland auseinanderzusetzen.
Einige deutschsprachige Autor*innen haben ihr Werk unserer Nachbarin im Osten gewidmet und ermöglichen uns, aus neuen Perspektiven auf Polen zu blicken. Sie machen uns Mut zum Erforschen unserer gemeinsamen Geschichte und Nachbarschaft. osTraum hat für Euch eine Auswahl getroffen!
4. Steffen Möller – Viva Warszawa
Steffen Möller ist wohl der bekannteste Deutsche in Polen. Mehr durch Zufall entdeckte er seine Liebe zu unserem Nachbarland und hat mittlerweile mehrere Bücher über die Deutschen und die Pol*innen geschrieben. Eines davon widmete er der polnischen Hauptstadt, um deren Geschichte Du nicht herumkommst, wenn Du Polen verstehen möchtest. Unter anderem geht es in diesem Buch immer wieder um die deutsch-polnische Beziehung: „Während die Polen viel und gerne über ihre Geschichte bis 1945 sprechen, reden die Deutschen am liebsten über ihre Geschichte ab 1945.“ So ernst ist es in Möllers Büchern in der Regel aber nicht, vielmehr ist er für seine humorvolle, jedoch stets respektvolle Schreibweise bekannt. Zum Beispiel bei seiner Beschreibung der Pol*innen, die auf ihre Hauptstadt schimpfen – etwas, das uns bekannt vorkommen dürfte! Möllers Buch macht Lust auf die häufig unterschätzte polnische Hauptstadt, wie es kein Reiseführer je könnte.

3. Marta Kijowska – Was ist mit den Polen los?
Der polnische Kampf um die Unabhängigkeit war ein Kampf, den die Kunst und Kultur mitgeführt haben. Der Zusammenhang zwischen Literatur und Politik wird in Marta Kijowskas Buch deutlich. Die Literaturwissenschaftlerin stellt eine kurze Frage, die aber eine ausführliche und komplizierte Antwort erfordert: „Was ist mit den Polen los?“ Eine gespaltene Gesellschaft, die Tragödie Smolensk, Immigration und Emigration, das polnisch-jüdische Erbe – all das und mehr braucht es zur Klärung ihrer Frage. Auf keinen Fall kommt die polnische Literatur bei ihrer Suche nach der Antwort zu kurz! Wer rausfinden möchte, was die Namen Gombrowicz, Dąbrowski oder Miłosz mit Unabhängigkeit oder polnischer Identität zu tun haben, hält das richtige Buch in der Hand, um sich mit Kijowska auf eine Reise Richtung Osten zu begeben und Polen zu erlesen. Den Literaturliebhaber*innen sei an dieser Stelle ebenfalls Kijowskas „Streifzug durch Polens literarische Landschaften“ („Polen, das heißt nirgendwo“) empfohlen.

2. Gerhard Gnauck – Polen verstehen
Gerhard Gnauck ist Journalist und Historiker und zurzeit politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Warschau für Polen. Er beschreibt in seinem Buch, wieso Polen und Deutschland untrennbar miteinander verflochten sind. Dafür blickt er auf die polnische Geschichte von Marshall Piłsudski bis hin zur Solidarność-Bewegung, die politische Lage in der dritten polnischen Republik und die Gesellschaften des Landes, gezeichnet von Ereignissen wie Smolenks, gefangen zwischen Nationalismus und Globalisierung. Das besondere an seinem Werk sind die geschickten Darstellungen von nationalen und globalen politischen Zusammenhängen, die Polen zu dem Land gemacht haben, das es heute ist.

1. Emilia Smechowski – Rückkehr nach Polen
Emilia Smechowski wurde 1983 in Wejherowo geboren und ist in Berlin aufgewachsen. Viele Jahre später merkt sie, dass sie ihr Heimatland Polen nicht versteht. Wie kommt es, dass ein Land sich so tief spaltet? Um dieser Frage nachzugehen, zieht sie mit ihrer Tochter für ein Jahr nach Danzig und sucht nach Antworten. Etwa noch ein Buch über Politik, Gesellschaft und Beziehung zu den Deutschen? Was Smechowskis Buch von den anderen unterscheidet, sind ihre zahlreichen messerscharfen Beobachtungen des Alltags, die sie stets in den Kontext zu setzen weiß. Allerdings muss man sie mit Vorsicht genießen – es handelt sich um subjektive Darstellungen, die keinen Anspruch auf die absolute Wahrheit haben! Sie erschafft ein Mosaik aus diesen Beobachtungen, die ein klares Bild ergeben: eine Analyse ihres Heimatlandes aus ihrer ganz persönlichen Perspektive auf 256 Seiten, die uns die Augen öffnen werden.

Welche Bücher haben Euch geholfen, Polen besser zu verstehen?
Steffen Möller
Viva Warszawa
2016 Piper
Marta Kijowska
Was ist mit den Polen los?
2018 dtv
Gerhard Gnauck
Polen verstehen
2018 Klett-Cotta
Emilia Smechowski
Rückkehr nach Polen
2019 Hanser Berlin
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Bildquellen: Julia Schneider für osTraum
Buchcover: die jeweiligen Verlage (s. Links oben)