Poetry, November & Berlin // Interview mit Dinara Rasuleva

#bipoetry (rus.: стиходвоение) – ein Poesieexperiment und ein kreatives Projekt von Dinara Rasuleva und Alexander Delphinov hat das osTraum-Magazin mit seinen kühnen, aufrichtigen und atmosphärischen Texten noch während des Septemberauftritts der Berliner Poet*innen im Panda Theater erobert. Im Interview mit Dinara Rasuleva sprechen wir über die russischsprachige Poesie in Berlin, Feminismus, Poetry Slams und einfach über November.

Von Kasan nach Berlin

osTraum: Guten Tag und Hallo! Erzähl’ über dich selbst für alle, die noch nicht von dir gehört haben.

Dinara: Ich heiße Dinara Rasuleva, nach Berlin bin ich vor 4 Jahren umgezogen. Vor dem Umzug habe ich in Kazan gelebt, Poesie habe ich damals nur für die Schublade geschrieben. Das heißt, ich bin nirgendwo aufgetreten, meine Werke wurden nicht veröffentlicht. Aber nachdem ich [nach Berlin] umgezogen bin, gelangte ich plötzlich in die Berliner Literaturszene. Und es hat sich herausgestellt: Hier passiert sehr viel! Im Unterschied zu Kasan, wo insbesondere im Bereich der Literatur nicht so viel abgeht. Das hat mich sofort gepackt und nicht mehr losgelassen. Meine Bekannten haben mir vorgeschlagen, an einem Poetry Slam teilzunehmen, an einem Format, das in Deutschland sehr beliebt ist, in Russland aber weniger entwickelt ist.

Ich habe fünf-sechs Mal an unterschiedlichen Poetry Slams teilgenommen und wurde dann immer wieder neu eingeladen. Zwei Mal habe ich gewonnen, die anderen Male die zweiten und dritten Plätze bekommen. Für mich, als eine Person, die nie von der Bühne gelesen hat, war das ein Schock. Ich war überrascht, dass ich, meine Texte so wahrgenommen werden. Bis dahin konnte ich nicht wirklich wissen, wie die Menschen auf meine Texte reagieren, das alles war irgendwo tief in meinem Inneren versteckt.

Das ganze Jahr bin ich durch unterschiedliche Poetry Slams in Deutschland gereist, war in Frankfurt am Main, Köln, Nürnberg… Während dieser Zeit habe ich sehr viele russischsprachige Poet*innen kennengelernt. So habe ich festgestellt, dass es in Deutschland eine sehr große russischsprachige Poesieszene existiert. Es gibt ein paar Organisator*innen der Poetry Slams in unterschiedlichen Teilen Deutschlands und so habe ich Alexander Delphinov kennengelernt, der Poetry Slams in Berlin macht. Mit ihm haben wir das Projekt #bipoetry gestartet und organisieren nun zusammen Poetry Slams in Berlin, im Panda Theater.

Delfinov Rasuleva Poesie
Alexander Delphinov und Dinara Rasuleva © Elya Yalonetski

Mit dem Projekt #bipoetry touren wir mit unseren Auftritten, Performances in diversen Städten und Ländern, wo wir eingeladen werden. Wie passiert das? Wir werden an einem Ort gesehen, man lädt uns woanders ein. Wir hatten zum Beispiel ein Konzert in Berlin im Sommer und dort hat uns der Organisator des Forums „СловоНово“ – ein Bekannter von Delphinov – besucht. Er hat unseren Auftritt gesehen und uns zum Forum der russisschprachigen Kultur in Montenegro eingeladen. Wir sind dorthin gefahren und wurden da wieder von irgendjemandem bemerkt und zum Forum der Oppositionellen nach Vilnius eingeladen. Am 1. Dezember fahren wir nach Warschau. Die Menschen sehen unsere Auftritte, das gefällt ihnen und sie laden uns ein, woanders aufzutreten.

Aber die Poesie bleibt natürlich nur ein Hobby, denn sie bringt kein Geld.

osTraum: Wann hast du angefangen, Gedichte zu schreiben? Kannst du dich an dein erstes Gedicht erinnern?

Dinara: An mein erstes Gedicht kann ich mich ganz genau erinnern. Vielleicht war das nicht mein erstes Gedicht, aber ich habe es als solches in Erinnerung. Ich war noch sehr klein, das war noch vor der Schule, vielleicht war ich 5 Jahre alt. Ich habe damals gemalt und habe noch ein Gedicht über den Herbst geschrieben. Ich habe irgendwelche Herbstblätter mit Buntstiften gemalt, an den Text kann ich mich kaum erinnern. Etwas über den Herbst und die gelben Blätter. Meine Eltern waren entzückt.

Das waren sogar mehrere Gedichte, ein kleines Band. Meine Mutter hat diese Blätter auf der Nähmaschine zusammengenäht und so ist ein Büchlein entstanden. Mein erstes und einziges Buch bis jetzt. Obwohl ich bereits einige Veröffentlichungen in Magazinen, zum Beispiel in der Literaturzeitschrift Берлин.Берега hatte, habe ich noch kein eigenes Buch.

Die nächste Phase war, als ich 14-15 Jahre alt war. Damals hat mich das Teenie-Gefühl der Einsamkeit, eine gewisse Teenager-Depression mitgenommen, und ich habe angefangen, über den Schmerz, ein bis zwei Texte im Jahr zu schreiben. Sehr viel habe ich nach einem persönlichen Trauma 2010 geschrieben, aber in einem anderen Stil, irgendwelche psychedelische Texte. Dann hat alles wieder aufgehört. Dann kam die dritte Welle nach dem Umzug nach Berlin. Ich habe angefangen, Texte zu schreiben, um erst an Poetry Slams teilzunehmen, damit ich überhaupt neue Texte habe, und später im Rahmen des #bipoetry Projekts.

osTraum: Gibt es bestimmte Hauptthemen in deiner Poesie?

Dinara: Ja, natürlich, es gibt sie, absolut. Erstens, ich versuche psychische Krankheiten und Diagnosen sowie Frauenphysiologie zu destigmatisieren, gehe solche Themen wie Gewalt an Frauen und Diskriminierung an. Das dritte Thema, denke ich, ist das Fehlen des Lebenssinnes – die ständige Frage, die ich mir stelle. Wozu und was, wohin ich gehe?

osTraum: Was ist für dich wichtiger: einen Einfluss auf die*den Leser*in zu haben, eine bestimmte Nachricht ans Publikum zu vermitteln oder schreibst du eher für dich selbst?

Dinara: Ich denke nicht, dass etwas davon für mich wichtiger als das Andere ist. Ich weiß allerdings absolut genau: Wenn ich schreibe, fühle ich mich sehr gut. Zum Beispiel wenn die Leute zu mir nach dem Konzert kommen und sagen: „Ach, wie cool, meine Ehefrau und ich leben schon fünf Jahre zusammen, waren aber immer schüchtern, über die Menstruation miteinander zu sprechen. Und du hast uns so offen darüber erzählt. Wir haben uns die ganze Zeit angeschaut, als du es gelesen hast. Danke, dass du auf dieses Thema eingegangen bist, dass es so normal ist“. Ich war überrascht, dass ein Mann mich angesprochen hat! Meistens sprechen mich Frauen nach meinen Auftritten an, sagen mir, dass sie geweint haben, bedanken sich dafür, dass meine Texte bei ihnen solche Gefühle hervorrufen. Und natürlich ruft das auch in mir Emotionen hervor.

Rasuleva Lesung Panda Theater
Dinara Rasuleva bei der Lesung im Panda Theater © D. Rasuleva

Das Schreiben selbst gefällt mir aber auch. Währenddessen denke ich nicht, welche Reaktionen das Geschriebene hervorruft und dass ich den Leuten was Bestimmtes sagen will. Aber wenn ich von den Reaktionen des Publikums höre, denke ich: „Cool, ich habe ihnen über etwas Wichtiges erzählt…“

osTraum: Ist es besser, deine Gedichte zu lesen oder zu hören?

Dinara: Darüber sagen mir die Leute immer was, aber Unterschiedliches… Einige kommen nach dem Konzert und sagen: “So habe ich es viel besser empfunden”. Also am häufigsten sagt man mir, dass meine Gedichte besser zu hören sind. Obwohl einmal hat mir jemand gesagt: „Nein, es war für mich besser, mit meiner Stimme im Kopf vorzulesen“.

osTraum: Gibt es ein Gedicht, das dem Publikum besonders gefällt?

Dinara: Das ist wahrscheinlich “Womenstration”. Früher habe ich es mit unterschiedlichen Informationsergänzungen vorgelesen. Es ging darum, wie Frauen in Indien, Bangladesch, sogar in Japan, generell in vielen Ländern immer noch miterleben müssen, dass sie für Menstruation geschämt werden, dass sie zum Beispiel gebeten werden, in einem anderen Zimmer Mittag zu essen, wenn sie Menstruation haben oder dass sie das Essen nicht berühren dürfen. In vielen dieser Länder gibt es eigentlich keinen Zugang zu Hygienemitteln. Als ich dieses Gedicht in dieser langen Version so vorgelesen habe, hat das ungefähr fünf Minuten gedauert, sehr lange.

Und in der letzten Zeit ist es mir tatsächlich aufgefallen, dass „Womenstration“ zu sehr starken Reaktionen bei den Menschen führt, dabei nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern. Vor einer Weile habe ich diese Ergänzungen weggenommen, da ich das Gedicht für irgendein Event zu drei Minuten kürzen sollte. Und diese verkürzte Version war sogar noch stärker, weil darin nur meine persönlichen Erlebnisse geblieben sind. Sogar mein Partner im #bipoetry Projekt sagt mir immer, wenn wir etwas Starkes vorlesen müssen, liest du das.

Aber ich denke, dass so eine starke Reaktion auf „Womenstration“ vor allem dadurch zu erklären ist, dass bei uns, im russischsprachigen Diskurs, über dieses Thema einfach nicht gesprochen wird. In den USA, zum Beispiel, weiß ich, dass dies nicht so eine Reaktion hervorrufen würde. Da gibt es schon seit langem Poet*innen, die darüber schreiben, auch das moderne Theater, wo diese Themen bespielt werden. Unsere Kultur ist in diesem Aspekt etwas rückständig.

#bipoetry & Poetry Slams in Japan

osTraum: Erzähle ein bisschen über bipoetry, wie würdest du den Kreativprozess beschreiben, den Prozess der Entstehung eurer gemeinsamen Werke?

Dinara: Alles hat damit angefangen, dass wir einander motivieren wollten und so jeweils ein Thema in den Raum geworfen haben. Sagen wir zum Beispiel, die Kaffeetasse. Danach schrieben wir zwei Texte, sahen dabei nicht, was wir schreiben, und verglichen sie. Am Ende hatten wir zwei Texte zu einem Thema, die aber sehr unterschiedlich waren, aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben. Einmal ist es so passiert, dass ich einen Text zu schreiben begann, der Text wollte sich aber nicht schreiben. Ich sagte zu Delphinov: “Hör mal, ich habe zwei Strophen geschrieben und kann nicht weiter”. Und er so: “Lass mich zu Ende schreiben”. So ist der erste Text entstanden, den wir zusammen geschrieben haben. Er war so gut, dass wir das weitermachten und jetzt schreiben wir sogar noch mehr Texte nach Strophen.

Rasuleva Delfinov SlovoNovo
#bipoetry auf dem Forum “СловоНово” © D. Rasuleva

Wir haben bereits nicht mehrmals Dialoge und Texte komplett zusammen geschrieben. Also, dass wir uns aber zusammen hinsetzten und schrieben – das ist eher ein seltener Fall,  dafür aber so intensiv, dass es wie eine Verschmelzung ist.

Auf jeder unserer Tour machen wir das Programm aus meinen Texten, seinen [Delphinovs] Texten und der dritte Teil sind unsere gemeinsamen Texte. Dabei ist aber der dritte Teil keineswegs ein Drittel des Programms, denn die Hälfte unseres Auftritts besteht aus gemeinsamen Texten (ca. eine Stunde), und die andere Hälfte machen meine und seine Texte aus.

osTraum: Hast du bereits Gedichte in anderen Sprachen außer Russisch geschrieben? In welcher Sprache würdest du denn gern was schreiben?

Dinara: Meine Muttersprache ist eigentlich Tatarisch. Ich bin Tatarin und würde sehr gern auf Tatarisch so schreiben, wie ich das auf Russisch tun kann. Da aber mein Tatarisch eher beschränkt ist und ich mein ganzes Leben lang außerhalb der Familie Russisch gesprochen habe, fällt es mir viel schwieriger, auf Tatarisch zu schreiben, trotz der Tatsache, dass dies meine Muttersprache ist. Ich habe bereits versucht, meine Texte ins Tatarische zu übersetzen, aber das ist, glaube ich, mir nicht so gut gelungen. Vielleicht brauche ich eine fremde Unterstützung, denn ich halte das für sehr wichtig, dass es meine Texte auch auf Tatarisch geben soll.

Außerdem habe ich bereits auf Englisch geschrieben und ins Englische übersetzt. Das ist für mich sogar einfacher als Tatarisch, denn ich beschäftige mich mit dem Englischen mein ganzes Leben lang, ich bin Linguistin.

osTraum: Wenn du die deutsche Übersetzung deiner Gedichte liest oder hörst, nimmst du sie anders wahr?

Dinara: Ja, natürlich. Dazu kommt noch der Umstand, dass ich nie selbst [ins Deutsche] übersetzt habe, meine Gedichte wurden immer von Übersetzer*innen und manchmal von Bilingualen übersetzt. Deutsch kann ich viel schlechter als Englisch, vielleicht sogar auf dem gleichen Niveau wie Tatarisch. Um ehrlich zu sein, kann ich meine Texte gar nicht richtig wahrnehmen, wenn sie auf Deutsch sind, wenn sie gelesen werden. Deshalb schenke ich mein volles Vertrauen den Übersetzer*innen.

osTraum: Welche Poesieszene ist dir näher – die russländische, die russischsprachige in Deutschland oder die internationale?

Dinara: Ich würde mich nicht so strikt der russischsprachigen Migration zuordnen, denn wir treten ziemlich oft in Moskau auf, einmal waren wir auch in Kazan. Zusammen mit uns sind auch Poet*innen aufgetreten, die in Russland leben. Wir sind mit ihnen sehr gut befreundet. Ich fühle mich insofern als Teil der russischprachigen poetischen Szene, glaube ich.

International ist es für mich schwierig zu verstehen und es anzunehmen, da diese Szene sehr groß ist. Einmal bin ich in Tokio aufgetreten, und da gab es den Poetry Slam auf Japanisch. Ein Bekannter von Delphinov hat mich dahin eingeladen und ich habe auf Russisch und Englisch gelesen. Die Japaner*innen kamen danach auf mich zu und sagten, dass mein Auftritt ihnen sehr gefallen hat, obwohl sie nichts verstanden haben. Und mir hat es sehr gefallen, wie sie auftreten, denn das ist eine absolut andere Welt.

Wenn Delphinov und ich auftreten, sind die Leute normalerweise unter Schock. Letztes Mal waren wir in Moskau und haben dort den Poetry Slam gewonnen. Ehrlich gesagt haben wir das nur deswegen gewonnen, weil die Anderen mit uns gar nicht mithalten konnten. Sie traten auf die Bühne und lasen, wir hatten eine ganze Show, eine Art Theater. Wir machen Performance und lesen nicht einfach Texte vor.

Und als ich auf dem japanischen Poetry Slam war, ging es sehr stark in die Performance-Richtung, viel stärker als bei Delphinov und mir. Das hat mich so erschüttert und mir sehr gefallen. Seitdem verstehe ich, wie viel ich noch nicht gesehen habe. Denn ich habe bis jetzt nur einen ganz kleinen Teil gesehen, ein Poetry Slam in Tokio, und wie viele andere Länder, andere Städte, andere Kulturen es noch gibt…

osTraum: Wohin würdest du noch gern reisen, um dort aufzutreten?

Dinara: Hmm, das weiß ich nicht so wirklich, vielleicht nach Island. Wir möchten jetzt Musik für unsere Projekte machen, ein Musikalbum mit unseren Texten und musikalischer Begleitung. Deshalb würde ich irgendwann sehr gern in Reykjavik auftreten, auf dem Festival “Iceland Airwaves”, das dort jährlich stattfindet.

Wenn wir unsere Texte mit musikalischer Begleitung machen, wäre es sehr cool, denn ich mag Island sehr. Aber auch nach Japan würde ich gern nochmal reisen, da ich Japan ebenso sehr liebe.

osTraum: Wie sieht es mit Video für eure Texte aus?

Dinara: Wir haben bereits einige Videoclips, eins haben wir selbst auf iPhone gedreht, überhaupt ohne Schnitt und Montage. Das war für mein Lied „Taube“, eine Art Trash, allerdings sehr netter Trash.

Vor kurzem haben wir noch zwei weitere Clips mit Profis gemacht, mit einer Regisseurin, mit Musiker*innen und gutem Schnitt.

osTraum: Welche Kommunikationskanäle nutzt du, um deine Poesie zu vermitteln?

Dinara: Hauptsächlich Facebook und Telegram, aber Telegram sogar mehr. Wenn man auf unseren Kanal [bipoetry auf Telegram] geht, kann man alles sehen, was wir in den letzten anderthalb Jahren aufgeschrieben haben, in denen das Projekt [bipoetry] existiert.

1990er & Erinnerungen

osTraum: Gibt es etwas aus den 1990ern in deiner Poesie?

Dinara: Ja, sehr viel, sehr viel. Das fand ich selbst vor kurzem erstaunlich. Es gibt viel über Kindheit, über bestimmte Momente aus dem Anfang & aus der Mitte der 1990er. Ich bin Ende 1980er geboren und die bewusste Phase meiner Kindheit ist eigentlich zwischen dem Anfang und dem Ende 1990er verlaufen. Und ja, ich glaube, besonders meine letzten Texte sind sehr stark von dieser Zeitperiode beeinflusst worden.

Bevor ich nach Berlin umgezogen bin, habe ich keine autobiografischen Texte geschrieben. Ich habe irgendwelche unverständliche, abstrakte, psychodelische Texte geschrieben. Und jetzt habe ich sehr viel Autobiografisches in meiner Poesie. Da meine Eltern gestorben sind, will ich irgendwie dieses Thema der Kindheit, der Erinnerungen, die mit ihnen verbunden sind, festhalten. Ich denke, wenn in meiner Familie alles gut gewesen wäre, wenn alle noch am Leben wären, gäbe es in meiner Poesie keine solche starke Verbindung mit meiner Kindheit. Jetzt gibt es keinen mehr von diesen Menschen und vielleicht findet deshalb das Ganze einen Anklang in dem, was ich schreibe.

Ich schreibe sehr oft über solche Momente, auch wenn es dort keine Rede von mir ist, sondern von einer bestimmten Atmosphäre des Lebens in einer Platte, auf dem Haushof…

osTraum: Was denkst du – Haben die 1990er Spuren im heutigen Russland hinterlassen?

Dinara: Naja, was bedeutet denn die 1990er? Für mich waren die 1990er eine Alltagserscheinung, wie ich mich gefühlt habe, was ich gespürt habe, wie wir uns angezogen haben, was wir aßen, welche Musik wir hörten. Das, was jetzt noch geblieben ist, sind eher keine Spuren der 1990er, sondern der UdSSR, es gibt eine Rückkehr zur Zensur, die es in der Sowjetunion gab…

Lesetipps & Novemberatmosphäre

osTraum: Was würdest du empfehlen, im November zu lesen und zu hören?

Dinara: November ist mein Lieblingsmonat. Erstens, habe ich Geburtstag im November, ich liebe diesen Monat sehr.

Mein Lieblingssong ever für November ist seit Kindheit das Lied „Das Fenster“ des Poeten und Sängers Delfin, der auch der Namensvetter meines Partners im Projekt #bipoetry. Darin singt er: „Sie wohnt im November, mit einem Fenster zum Norden…“. Und weil ich meinen Geburtstag im November habe, dachte ich immer, dass dieses Lied über mich ist.

Jetzt lese ich ein bemerkenswertes Buch und empfehle es allen. Das hat Ksenija Bukscha geschrieben, das ist ein neues Buch, gerade erschienen, und es heißt „Öffnet sich nach innen“. Das handelt von Kindheitsverletzungen, über Kinder aus dem Heim, über Gemütsbewegungen.

Das zweite Buch, das ich diesen November gelesen habe und das mir sehr gefallen hat, ist „Roman mit Kokain“ von Agejew. Das ist ein tolles Buch, über das ich bis vor kurzem nichts gehört habe. Und plötzlich habe ich es für mich entdeckt. Das ist ein großes Ereignis für russischsprachige Literatur, heute fast in Vergessenheit geraten.

Aus Musik mag ich im November Radiohead hören, denn sie schaffen so eine richtige Novemberatmosphäre.

osTraum: Welche Poesie würdest du zum Lesen empfehlen, etwas, was du selbst sehr magst?

Dinara: Ich mag sehr Sylvia Plath, aus den russischsprachigen mag ich Alina Wituchnowskaja. Sie hatte einen sehr starken Einfluss auf mich. Es gibt auch eine wunderbare afrikanische Poetin und Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, die zum Beispiel auf Spoken Word auftritt und Probleme der Frau in Nigeria eingeht.

osTraum: Danke für das Interview und deine Zeit!


Das Interview auf Russisch gibt es auch // Интервью с Динарой Расулевой есть и в оригинале, на русском: Dinara Rasuleva Interview für OsTraum


Bildquellen: Alle Bilder wurden mit der freundlichen Zustimmung von Dinara Rasuleva veröffentlicht.


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