Mischa der Pinguin im Andrej Kurkows Roman

„Picknick auf dem Eis“ des ukrainischen Schriftstellers Andrej Kurkow ist eine amüsante Lektüre mit subtilem Humor – ein Roman, der auch 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung an Relevanz nicht verliert.

Viktor, ein arbeitsloser Schriftsteller, wohnt in seiner Kiewer Wohnung mit seinem einzigen Freund – dem Königspinguin Mischa.

Auf der Suche nach einer Zeitung, die seine Geschichten veröffentlichen würde, bekommt Viktor einen ungewöhnlichen Job – Nekrologe auf Bestellung zu schreiben. Tage- und nächtelang verfasst er kurze Geschichten über die noch nicht verstorbenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die nach einer Weile geheimnisvoll ums Leben kommen. Erst später begreift es Viktor – diese Todesfälle haben auch etwas mit seiner Arbeit zu tun.

Das Groteske im Roman bringt Einen zum Lachen, aber gleichzeitig irgendwie auch zum Weinen. Selbst die Geschichte, warum ein Pinguin in einer Wohnung wohnt, ist absurd, aber nachvollziehbar. Der Zoo der Stadt wurde teilweise aufgelöst. Viele Tiere wurden verschenkt. Nicht lange nachgedacht holte sich Viktor einen Pinguin. Erst mit der Zeit merkte er: dem Pinguin geht es eigentlich nicht so gut. Bedrückt und nachdenklich starrt er die ganze Zeit auf die Wand. Ein depressives Syndrom und ein krankes Herz hat er, meint der Pinguinologe aus dem Zoo Pidpalyi.

Die Menschen kommen und gehen. „Picknick auf dem Eis“ ist voll mit Charakteren, die aus dem nichts auftauchen, um dann wieder plötzlich zu verschwinden. Dem Viktor selbst scheint es egal zu sein. Er akzeptiert das Leben so, wie es ist, und träumt allerdings im Geheimen von der ruhigen Idylle auf dem Land. Aber so einfach kommt so ein Traum in der Ukraine der 1990er Jahren nicht in Erfüllung.

In „Picknick auf dem Eis“ herrscht ein Chaos. Das Absurde hat hier das Sagen über das Leben. Wer Geld hat, hat auch die Macht. Das Herz eines kleinen Kindes kann dem kranken Pinguin im Handumdrehen eingepflanzt werden und das Leben eines Menschen kostet nur ein Bündel Dollar-Scheine.

„Picknick auf dem Eis“ ist eine Satire über die postsowjetische korrumpierte Mafia-Gesellschaft. Absurd und hautnah. Weiterhin aktuell und lesenswert.

Andrej Kurkow: „Picknick auf dem Eis“. Roman. Diogenes Verlag, Zürich.


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