Mitte der 70er Jahre wird das Museum für bildende Künste in Bischkek zum ultramodernen Treffpunkt für die kirgisisch-sowjetische Kunstszene. Die Konzeption des Neubaus von 1974 entspricht allen Anforderungen an ein modernes Museumsgebäude: Der ruhige geometrische Aufbau schafft den nötigen Freiraum, um die Exponate zur Geltung zu bringen.
Die kreisförmige Anordnung der Säle leitet in einem eleganten Rundgang durch die Ausstellung, während die umlaufenden Oberlichter für eine ausgewogene Belichtung sorgen. Die systematische Sammlung kirgisischer Kunst, neue Werke aus den sowjetischen Kunstmetropolen Moskau und Leningrad sowie Workshops und Vorträge in den großzügig angelegten Veranstaltungsräumen ziehen das Publikum an.
In den letzten 50 Jahren ist das Museum mit erstaunlichem Tempo in die Vergangenheit geflogen. Die vereinzelten Besucher*innen betreten heute eine endlos wirkende Stille. Gemächlich erheben sich die Mitarbeiter*innen aus ihren Sesseln und besetzen Kasse, Garderobe und Einlass. Sobald der unerwartete Gast sich in den ausladenden Sälen verloren hat, kommt die eben erst angelassene Museumsmaschinerie wieder zur Ruhe. Auch baulich hat der ungewöhnliche Alterungsprozess Spuren hinterlassen: Der Rundgang ist durch Renovierungsarbeiten schon längere Zeit unterbrochen, die Oberlichter wurden in einigen Räumen zugemauert und braune Wasserflecken zieren die falsche Kassettendecke.
Doch der Geist der Ultramoderne hält sich hartnäckig. Noch heute erzeugen die großformatigen Glasscheiben in den von Tageslicht durchfluteten Sälen ein Raumgefühl, das zum Flanieren, Sinnieren und Innehalten einlädt. Der Museumsbetrieb erweist sich mit gleich mehreren Ausstellungseröffnungen pro Monat als erstaunlich rege. Die lockere Abfolge der Ausstellungsräume erlaubt es, unterschiedlichste Sammlungen nebeneinander zu beherbergen – von kirgisischen Wandteppichen über Fotoserien aus Indien zu Klassikern der russischen Kunstgeschichte. Bis heute trägt der Museumsbau das Versprechen auf ein mutiges und vielfältiges Kulturleben in sich und stellt sich damit als Herausforderung dar, der die Museumsleitung gerecht werden muss. Baulich sind alle Umstände für eine Rückkehr in die Ultramoderne gegeben – bleibt abzuwarten, wie sich die kirgisische Kunstszene den Ort zu eigen macht.
Bildquellen: © Fotoarchiv des Museums für bildende Künste Bischkek sowie eigene Aufnahmen.
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