1990-er Jahre in der tschechischen Hauptstadt. Jatek ist drogenabhängig. Er erinnert sich liebevoll an sein altes Leben und träumt auch mal von der Zukunft. Bevor er sich das Rauschgift zum ersten Mal in die Venen spritzte, hatte er eine Wohnung am Anděl (de.: Engel) und war in seine Nachbarin Ljuba verliebt. Das Leben hätte er so gern zurück, doch das schnelle Geld und seine neue Geliebte Vera locken ihn nach Paris. In Frankreich schafft er durch Zufall eine neue Droge – nebe (de.: Himmel). Seine Erfindung stürzt ihn in einen Wirbel aus Gewalt, Mord, Drogenmafia und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Währenddessen lassen ihn jedoch die Sehnsucht nach seiner alten Liebe und die Halluzinationen nicht in Ruhe. In seiner Heimatstadt verfolgen ihn die Phantome: Er sieht den roten Himmel über Anděl, dieser blutet wie eine frische tiefe Wunde auf die Straßen aus.
Wer die Prager Realien kennt, merkt, dass die Wahl des Kiezes um die Metrostation ENGEL, der blutende Himmel und die Liebhaberinnen der Hauptfigur nicht von ungefähr kommen. In den 1990-ern war Engel dafür bekannt, ein Treffpunkt für Dealer und ihre Kundschaft zu sein. Die Metrostation selbst ist bis heute für ihre Reliefe bekannt, die an die Zeit des Sozialismus erinnern. Damals hieß die Station Moskevská (de.: Moskauer Straße). Der Engel ist ein Schauplatz für die Aufarbeitung des kommunistischen Erbes… oder eher für die Verarbeitung des Traumas? Jatek wird zwischen zwei Welten auseinandergerissen: Prager post-sozialistischer Anděl + Ljuba (dieser Frauenname bedeutet auf Russisch „die Liebe“) VS. westliche Metropole Paris + Vera („der Glaube“ auf Russisch). Wie die Geschichte endet, verraten wir euch nicht. Nur ein kleiner Tipp: zum Schluss könnte die Liebe gewinnen, einige Hindernisse gibt es hier aber noch…
Das rote Blut ist der rote Faden im Sujet des ganzen Romans, welcher von Topol im Stil des magischen Realismus geschrieben ist. Rot steht dabei zweifelsohne für die kommunistische Vergangenheit der Station Anděl und mit ihr des ganzen Landes.
Der Roman des Tschechen Jáchym Topol erschien als Abschlusswerk seiner urbanen Trilogie: Výlet k nádražní hale (1994; de.: Ein Ausflug zur Bahnhofshalle), Sestra (1994; de.: Die Schwester (Volk und Welt 1998)) und Anděl (de.: Engel EXIT (Volk und Welt 1998)).
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