„Gangs of Russia“ von Svetlana Stephenson

Russische kriminelle Banden aus den verbrecherischen 1990ern – wer kennt sie nicht? Aus Filmen, Serien, Erzählungen oder sogar eigener Erfahrung. Wie wird aber dieses Thema in der Wissenschaft behandelt? In der Monographie „From the streets to the corridors of power: Gangs of Russia“ geht Svetlana Stephenson den Ursprüngen von russischen kriminellen Banden am Beispiel von de Gangs der Stadt Kazan’ nach. Dabei wird eine Gang als eine in der russischen Gesellschaft fest verankerte soziale Gruppe betrachtet. Im Fokus stehen sonst in der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema häufig vernachlässigte Aspekte wie alltägliche Gebräuche, Verhaltensnormen und Sprache der Bandenmitglieder.

Im Schatten bleiben, aber gleichzeitig dem Mainstream angehören: Irgendwo zwischen der sozialen Akzeptanz, der Furcht und Ablehnung befinden sich die Mitglieder von solchen Gruppierungen in Russland. Ihre Anzahl mag im Vergleich zu den 1990er Jahren stark gesunken sein, die Gangs gibt es aber auch heute noch. Wie die Gangs ticken und was echte „patsany“ antreibt, diese Frage untersucht Svetlana Stephenson in ihrer Monographie. Die zahlreichen Interviews mit realen Bandenmitglieder machen „Gangs of Russia“ besonders spannend und erkenntnisreich. Der Leser bekommt die Möglichkeit, hinter die Kulissen von „closed society“ zu blicken, auch wenn nur eingeschränkt.

Von der Geschichte der ersten kriminellen Banden der Sowjetunion bis zu den Zeiten nach der Einführung der Marktwirtschaft gibt „Gangs of Russia“ Einblicke in die Strukturen der Gangs, einschließlich ihrer Kultur, des Verhaltenskodex – „ponjatija“, und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Diese Bandbreite an thematischen Schwerpunkten macht das Buch umso spannender auch für denjenigen, der sich mit den postsowjetischen Gangs zum ersten Mal auseinandersetzt. Ein „must have“ für alle, die sich für Ursprünge und Hintergründe krimineller Gangs in Russland interessieren.

Stephenson, S. 2015: Gangs of Russia, From the Streets to the Corridors of Power, Cornell University Press. Weitere Infos zum Band finden sich auf der Seite des Verlags.


Bildquelle (Titelbild): Buchcover © Cornell University Press.

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