Post Punk von „Телевизор“: systemübergreifende Kritik

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Michail Borzykin. Quelle: Wikimedia Commons, Link, Lizenz CC BY 4.0

„Телевизор“ („Fernseher“) – solchen Namen wählte sich eine Musikband im sowjetischen Leningrad in den 1980er Jahren aus. Ein Mix aus new wave, post punk und synthpop – ihre Lieder stellen nicht nur ein Beispiel für zahlreiche musikalische Experimente dar, sondern sind auch mit der harschen Kritik der sozialen und politischen Gegebenheiten durchtränkt.

1987 gibt „Телевизор“ ein Album „Отечество иллюзий“ heraus, dessen Texte in heutigem Russland an der Relevanz immer noch nicht verlieren.

Im Lied „Рыба гниёт с головы“ singt der Frontman Michail Borzykin die folgenden Zeilen: „Wer wird euch glauben? Ihr habt so lange geschwiegen. Nicht nur geschwiegen – ihr habt diejenigen erwürgt, die nicht geschlafen haben. Heute sind eure Parolen nur auf den Seiten der gestrigen Zeitungen, aber eure Helden sitzen immer noch auf ihren früheren Plätzen“. In einem anderen bekannten Lied „Твой папа – Фашист“ wird der vermeintliche Übergang zur Demokratie in den Zeiten der Perestroika kritisiert: Da heißt es – es gehe nicht um die Farbe der Fahnen. Der Autor verschont aber auch nicht seine willensschwachen MitbürgerInnen: „Sag mir nicht, dass er gütig ist. Sag mir nicht, dass er Freiheit liebt. Ich habe seine Augen gesehen – es ist schwierig, sie zu lieben. Und deine Liebe ist die Angst“. 20 Jahre später bekommt „Dein Vater ist ein Faschist“ sowohl von „Телевизор“ selbst als auch von ihren SympathisantInnen eine neue Interpretation und wird an die heutigen Realien der russischen Politik übertragen.

Aber auch in den letzten Alben wie „Déjà-vu“ (2009) übt Borzykin in seinen Texten ganz offen Kritik an dem gegenwärtigen Regime in Russland aus. V. Putin und seinen MithelferInnen seien demnach auferstandene „Tschekisten“ (so nannte man die MitarbeiterInnen von Geheimdiensten in den Staaten des Ostblocks). „Совок“ (die verächtliche Bezeichnung für die Sowjetunion – „Dreckschaufel“) sei zurück, aber die Leute sehen das nicht, so „Телевизор“. Borzykin ist aber nicht verzweifelt.

„Lassen Sie mich, ich lebe noch. Ich werde selbst denken“, hieß es bereits in einem Lied aus dem Jahr 1985. Der Satz bleibt noch weiter aktuell.

Diesen Monat veröffentlicht „Телевизор“ eine neue Platte „Ichthyosaurier“, das übrigens von der Fangemeinde finanziert wurde.

Video „С вами говорит телевизор“


Bildquelle: By OptimusView (Own work) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d8/Borzykin.JPG, [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons 

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