Filmfestival Cottbus 2022

Jedes Jahr werden auf dem Filmfestival in Cottbus über 200 mittel- und osteuropäische Filme gezeigt. Auch dieses Jahr konnten wir vielfältige Filme sehen, die facettenreiche Bilder der vielen Regionen schaffen. Das Filmfestival hat in den vergangenen Jahren einen Tag Russland gewidmet. Dieser wurde in diesem Jahr durch den ukrainischen Tag ersetzt, an dem Dokumentarfilme aus und über die Ukraine sowie ukrainische Spielfilme gezeigt wurden. 

Tag des ukrainischen Films 

Der Dokumentarfilm Train Kyiv-War zeigt den Regisseur bei einer Zugfahrt von Kyjiw Richtung Donbas, in die Stadt Kostjantyniwka. Nach Donezk ist die Zugreise im Jahr 2020, dem Entstehungsjahr des Filmes, nicht mehr möglich. Während der 12-stündigen Zugfahrt spricht der Regisseur mit den Passagier:innen des Zuges über ihre Meinung zum Krieg in der Ostukraine. Ein vielschichtiges Bild des Diskurses wird deutlich: während viele sich nachdrücklich für Frieden aussprechen, sind andere Passagier:innen deutlicher in ihrer politischen Präferenz und sprechen sich z.B. für Putin oder Selenskyj aus. Ein Zeitzeugnis, das im Kontext seiner Entstehung gesehen werden muss und die Komplexität individueller Meinungen dokumentiert.  

Im Gegensatz zu Train Kyiv-War, der die „einfachen Bürger:innen“ zu Wort kommen lässt, werden in der Doku Beyond Revolution – Fighting for Democracy die Perspektiven von jungen Parlamentarier:innen deutlich, die sich nach ihrer aktivistischen Teilnahme an den Maidan-Protesten 2014 in das ukrainische Parlament wählen lassen. Ihre teils idealistischen Hoffnungen und Pläne für die Ukraine treffen dort auf ernüchternde tagespolitische Realitäten. Die Doku zeigt, wie Allianzen im dynamischen Trubel von Politik brechen und lassen uns mitverfolgen, wie die drei Protagonist*innen die jüngsten Präsidentschaftswahl miterleben. 

Polnische Jugend im Fokus:
Gewalt, Armut und keine Perspektiven 

Auch der polnische Film war wie jedes Jahr in unterschiedlichen Wettbewerben stark vertreten. Ein zentrales Thema dieses Jahr war die Lebenssituation junger Menschen in Polen. In dem Film Chleb i sól (Brot und Salz) geht es um einen Studenten der Musikakademie, der über den Sommer in seine kleine Heimatstadt zurückkehrt. Während seiner Abwesenheit hat eine Dönerbude in dem Ort eröffnet, die zum neuen Treffpunkt der Jugend geworden ist. Dort erlebt er, wie sein kleiner Bruder und dessen Freunde sich zunehmend rassistisch gegenüber den Betreibern verhalten. Letztlich endet der Film in einer Kulmination aus Gewalt. Ein Film, der den Alltag in einer Kleinstadt, die teilweise perspektivlose Zukunft der Jugend sowie von Xenophobie und Homophobie geprägte Anspannung im polnischen ländlichen Raum einfängt.

Im Jugendwettbewerb stach der Spielfilm Magdalena ebenfalls hervor, der in seiner Hauptfigur zahlreiche zeitgenössische Probleme junger Frauen in Polen einfängt. Magdalen ist als Folge einer Vergewaltigung Mutter geworden als sie selbst noch Kind war und spricht seitdem nicht mehr. Trotzdem kommuniziert sie unglaublich viel, mit Gebärden und ihrer Gestik und Mimik. Gemeinsam mit ihrer Mutter halten die drei sich eher schlecht als recht über Wasser. Als ihre Mutter sie im Alter von 20 Jahren rausschmeißt und ihr den Kontakt zu ihrem Kind verbietet, muss sie sich entscheiden, ob sie ihr Talent und ihren Traum, DJane zu werden aufgeben soll. Der Film hallt lautstark nach, trotz niedrigem Budget, aber durch kreative filmische Mittel und die schauspielerische Meisterleistung der Hauptdarstellerin. 

Liebevoll und politisch zugleich:
Tschechische Republik und die Slowakei

Die tschechisch-slowakische Produktion Slovo (Das Wort) blickt in die Zeit nach dem Prager Frühling: Der Notar Václav wird von Parteimitgliedern zunehmenden unter Druck gesetzt in die kommunistische Partei einzutreten. Der Psychoterror führt Václav schließlich in die Psychiatrie. Seine Frau Vera, die nahezu krampfhaft die Kontrolle über alles behalten möchte, steht ihm bei und hält zuhause die Stellung, insbesondere für ihre beiden gemeinsamen Kinder im Vorschulalter. Das politische Familiendrama zeigt einfühlsam, wie die Prägungen der eignen Erziehung das Aufbringen der nächsten Generation beeinflusst, und wie eine Ehe gegen alle Widerstände den Terror des kommunistischen Regimes übersteht. Mit Slovo hat die Regisseurin Beata Parkanová die Lebensgeschichte ihrer Großeltern und ihrer Mutter verfilmt. 

Slovo ist ein Blick in das Familienarchiv der Regisseurin © Bontonfilm

Allgemein zeichnen sich die gezeigten Filme durch ihre liebevolle Sichtweise auf individuelle Schicksale aus, die aus vermeintlich kleinen, alltäglichen Erfahrungen große Geschichten machen. Gerade diese Nähe an den Figuren und ihren Lebenswelten machen den Besuch des Filmfestivals zu einem nahbaren und bewegenden Kinoerlebnis. 

Zahlreiche weitere Themen werden in den gezeigten Filmen behandelt: neben einer Kategorie zu Frauenrollen im Verlauf der Zeit bis heute sowie der Kategorie „ECOEAST“ standen rumänischen Filmen besonders viel Raum zu. Innerhalb der Hits wurden Produktionen gezeigt, die in ihrem Heimatländern mit Hollywood-Produktionen standhalten konnten. Und wie jedes Jahr haben auch sorbische Filme, direkt aus der Region, ihren eigenen Platz eingeräumt bekommen. Mehr über das vollständige Festivalprogramm kannst du hier erfahren.


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Titelgrafik © 32. FilmFestival Cottbus

 

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