Alleine in der Stadt: Die Menschen dort

Die dort und wir hier. Warum können wir nicht wie die Anderen – die Reichen, die Klugen – sein? Der Titel des lettischen Films von Aik Karapetjan „Die Menschen dort“ (let. „Cilvēki tur”, 2012) stimmt den/die Zuschauer_in von Beginn an auf soziales Drama ein. Eine Geschichte über das reale Leben sei dieses Werk aus Lettland, so ein begeisterter Rezensent auf einem russischen Kinoportal. Wie sieht aber das reale Leben in Lettland aus? Das postsowjetische Erbe spiegelt sich hier vor allem im Labyrinth aus anonymen Plattenbauten wider. Ein weiteres Beispiel für die Schwarzmalerei, die so typisch für Drama im postsowjetischen Kino ist?

Jung, arbeitslos, desillusioniert. Ein russischsprachiger Lette Jan wohnt mit seinem Opa in einer Plattenbauwohnung, die meiste Zeit hockt er mit seinen Kumpels auf der Straße rum. Ihr Geld verdienen sie durch kleine Diebstähle, spaßeshalber überfallen sie einen oder anderen Metaller. So kann’s nicht weitergehen, denkt sich manchmal Jan. Die Ansätze des gesunden Verstands sind bei ihm zwar vorhanden, helfen ihm aber nicht, ein anderes Leben anzufangen. In einer Umgebung, wo der Bruder an seine Schwester den Job als Camgirl vermittelt, verliert man ganz schnell das Verständnis dafür, was erlaubt und was nicht erlaubt sei. Und auch als Jan durch einen Zufall ein anderes Leben von „den Menschen dort“ kennenlernt, sieht er ganz schnell, dass er da nicht willkommen ist.

Alleine in der Stadt ist der Kleinkriminelle Jan auf sich selbst angewiesen. Und wenn es sein muss, verdrückt er sich feige in die Büsche, um zu überleben. „Die Menschen dort“ ist ein kleiner Ausschnitt aus dem Alltag junger Gopniki, die entweder schnell Geld verdienen oder nach England abhauen möchten. Die Hauptrolle gehört dabei der postsowjetischen Generation, die in den 1990ern aufgewachsen ist. Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat ihre Eltern und sie selbst sehr deutlich in „die Menschen hier“ und „die Menschen dort“ geteilt. In die Reichen, die teure Autos fahren, und die Armen, die in asozialen Clubs abhängen. Das Bild, welches Aik Karapetjan auf der Leinwand zeigt, ist kein erfreuliches. Eine gewisse Ähnlichkeit im Sinne der postsowjetischen Schwarzmalerei hat „Die Menschen dort“ auch mit einer anderen Geschichte aus der „ungenannten sowjetischen Republik“ -„Lilja 4ever“. 2003 und 2012 – eine Zeitspanne von fast 10 Jahren liegt zwischen den beiden Filmen. Die Einsamkeit und die Ausweglosigkeit in den Augen junger Hauptfiguren bleibt aber leider immer noch dieselbe.


Bildquelle (Titelbild): Cilveki tur/Lyudi tam © Locomotive Productions

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