7 „Osteuropäer“ oder wie sie alle heißen

„Der Täter sah osteuropäisch aus.“ Mal im Ernst – wie sehen Osteuropäer*innen aus? Über das osteuropäische Aussehen hat aber jede*r von uns sicherlich schon mal gehört – hauptsächlich im „Tatort“ oder tatsächlich in einer Fahndungsanzeige oder in einem Polizeibericht in den Medien oder in einer Dating-Plattform für deutsche Männer. Was gehört aber zum osteuropäischen Aussehen?

Sporthose + Lackschuhe + Goldkette?  Kurzer Haarschnitt + goldene Zähne oder keine Zähne? Und bei Frauen? Absatzschuhe + Miniröcke? Entweder müsste das alles ein schlechter Hollywood-Streifen oder ein Hinterhof in der tiefsten russischen Provinz sein (und selbst hier gibt es keine Garantie). Außerdem was ist dann z. B. mit Tschech*innen, Pol*innen und Slowak*innen? Sehen sie auch osteuropäisch aus? Oder gibt es typische Mitteleuropäer*innen? Eigentlich müssten sie genau wie Deutsche bzw. Österreicher aussehen, wenn es nach den Himmelsrichtungen geht. Prag liegt weiter im Westen als Wien und von Bratislava nach Wien sind es nur knapp 65 km. Ganze Regionen in Polen sind geografisch westlicher als viele österreichische Gebiete. Oder geht es gar nicht um Geografie?

Auf dem Gebiet des osTraums gibt es viele Völker. Manchmal kann es schwer sein, den Überblick über sie alle zu behalten und die richtige Bezeichnung zu finden. OsTraum hat für euch die gängigsten Fehler zusammengestellt, damit ihr nicht in eins dieser Fettnäpfchen tretet.

7. Tschechen auf dem Kaukasus?

Tschechen sind Westslawen und auch direkte Nachbarn von Deutschland und Österreich. Auch wenn die Bevölkerung der Tschechischen Republik nicht sehr groß ist (rund 10 Mio. Menschen), sind Tschechen für einiges bekannt – Bier (Budweiser, Pilsner Urquell etc.), Škoda (Sprich: Schkoda) und der Reformator Jan Hus, der etwas früher als Luther versucht hat, die katholische Kirche zu erneuern. Es gibt aber auch andere Bereiche, in denen sich die Tschechen einen Namen gemacht haben. Ab und zu kommt es vor, dass Terroristen tschetschenischer Herkunft Attentate verüben. Moooment! Welcher Herkunft? Ja, das ist der grundlegende Unterschied und ein Fehler, der immer wieder vorkommt. Tschechen und Tschetschenen sind zwei unterschiedliche Völker. Tschetschenen leben im Süden der Russischen Föderation. In den 1990-er-2000-er war die russische Teilrepublik im Ausnahmezustand – radikal-islamistische Gruppierungen und staatliche Truppen haben gegeneinander Krieg geführt. Bis heute suchen Flüchtlinge aus Tschetschenien Schutz in Deutschland und anderen EU-Staaten. Die mündliche Verwechslung von Tschechen und Tschechen passiert dabei auch bei höchsten Rängen der internationalen Politik:

6. Tschechoslowakei

Es gab mal das Land, das die Tschechoslowakische Republik bzw. die Tschechoslowakei hieß. Nach dem ersten Weltkrieg war es als die Erste von Österreich-Ungarn unabhängige Republik bekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Republik sozialistisch und unter der Obhut des großen Bruders – der Sowjetunion. Nach dem Zerfall der UdSSR gab es die Tschechoslowakei immer noch, bis sich die Tschechische Republik und die Slowakei am 1.1.1993 endgültig trennten. Die Tschechoslowakei gibt es heute also nicht. Es gibt auch keine Menschen, die Tschechoslowaken sind, und auch keine Sprache, die Tschechoslowakisch heißt. Solche Begriffe können lediglich in fachlichen und historischen Kontexten verwendet werden. Wenn es aber um die heutige Politik, Kultur und die Länder geht, dann gelten die Namen – die Tschechische Republik mit der Hauptstadt Prag & die Slowakische Republik mit der Hauptstadt Bratislava – zwei unabhängige Staaten, die zwar historisch und kulturell viele Gemeinsamkeiten haben, doch trotzdem nicht als ein und dasselbe Land behandelt werden dürfen.

Tolstoi
Nein, Tolstoi war weder Slowake noch Tscheche. Gelesen wird er aber von beiden Völkern gern.

5. Jugoslawien

Die Jugoslawen oder gar die Jugos, die Jugoslawisch sprechen und aus Jugoslawien kommen. Vor noch etwa 30 Jahren mag es zumindest offiziell als richtig gegolten haben. Das war aber einer von mehreren weiteren Umständen, die auf der Balkanhalbinsel in den 1990-er Jahren zum Bürgerkrieg führten. In dem Vielvölkerstaat gab es doch nicht so viele Menschen, die damit einverstanden waren, „Jugoslawen“ zu sein.

Wiederum sind „Jugoslawen“ nicht gleich Südslawen, denn zu den Südslawen gehören z.B. auch Bulgaren. Die „Jugoslawen“ ist eine historisch-politische Bezeichnung, unter welcher Albaner, Bosnier, Kroaten, Mazedonier, Serben, Slowenen und andere Völker des ehemaligen Jugoslawiens zusammengefasst wurden. Heute leben die meisten dieser Völker unabhängig voneinander in ihren eigenen Ländern. Dabei sprechen sie auch unterschiedliche Sprachen, gehören unterschiedlichen Religionen und politischen Bündnissen (z.B. EU, NATO etc.) an.

Jugo
Bist du ein „Jugo“ Boss?

4. Slowaken, Slowenen, Slawen

Slowaken und Slowenen gehören zu den Slawen, doch die Slowaken sind keine Slowenen und die Slowenen sind keine Slowaken. Wie bitte? Slawen sind eine Ethnie, wie z.B. die Germanen und die Kelten. Slowaken sind Westslawen (s. Nu. 6). Slowenen sind Südslawen (s. Nu. 5). Ja, die Namen hören sich schon ähnlich an und selbst viele Slawen haben ein Problem damit, sie auseinander zu halten. Doch es sind tatsächlich unterschiedliche Länder mit unterschiedlichen Sprachen. Germanische, keltische, slawische, baltische, iranische Sprachen sowie das Griechische und einige andere Sprachen gehören übrigens zu einer Familie – der Familie der indoeuropäischen Sprachen. Selbst Deutschlandfunk macht aber den Fehler mit den Slowaken und Slowenen:

Slowenen
Volltext hier.

3. Die WeißRussen?

Die Sprache ist oft ein Merkmal, nach welchem wir Menschen ihrer Herkunft zuordnen können. Automatisch stellt sich dabei die Frage, warum wir das überhaupt tun sollten? Menschen nach ihrer Herkunft zuordnen? Wer es jedoch tut, kann beim Wort „Russe“ oft daneben greifen. Allein in Deutschland gibt es sehr viele Menschen, die zwar Russisch können und es ständig verwenden, aber keine „Russen“ sind (abgesehen davon, dass die Bezeichnung „Russe“ selbst in Russland ziemlich problematisch ist). Es können Armenier, Georgier, Deutsche, Letten, Russen, Ukrainer, Weißrussen u.s.w. sein. Besonders in Weißrussland ist Russisch als Kommunikationssprache sehr verbreitet. Speziell unter der urbanen Bevölkerung mag es sogar oft die einzige Sprache im Alltag sein, die aktiv in jeder Situation verwendet wird. Deshalb – Ist es eigentlich nicht egal, woher ein Mensch kommt? Hauptsache bleibt doch, dass wir eine gemeinsame Sprache finden, und die Auswahl hier ist groß.

Belarus
Modernes Weißrussland-Merch hier.

2. UkrAIne

Die UkrAine oder die UkraIne? Ab und zu neigen vor allem Russisch-Muttersprachler*innen dazu, die Betonung auf das „A“ zu setzen: „die UkrAine“ oder sogar „in der UkrAine“. Natürlich versteht jede*r, was damit gemeint ist und nur wenige stört es tatsächlich. Manchmal kann es vielleicht sogar lustig sein, wie bei „Schland“ und „Deutschland“. Wenn ihr aber nicht sehr lustig sein wollt, dann könnt ihr den Namen des Landes richtig betonen – UkraIne und in der UkraIne.

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Die Ukrainische Flagge made by Nature.

1. Letten und Litauer

An der Ostsee gibt es so einige Länder – Deutschland, Polen, Lettland, Litauen, Estland, Russland. Wo es aber immer wieder zu Verwechslungen kommt, ist bei den Namen Lettland und Litauen. Um sie vielleicht besser auseinander zu halten – Litauens Hauptstadt ist Vilnius und Litauen liegt geografisch näher an Deutschland als Lettland. Lettlands Hauptstadt ist Riga und das Land liegt zwischen Litauen und Estland (Hauptstadt: die Skype-Heimat Tallinn).

Baltikum
Kommen Sie auch aus Tyskland?

PS: osTraum hat in diesem Beitrag vielleicht mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Diskutiert mit uns hier oder auf unserer Facebook-Seite!


Foto in dem Titelvisual © Mike Mozart.

3 Kommentare

  1. H.H.

    Zum obigen einige Zeilen
    Sie schauen aus wie die Leute aus deren typischen Heimatorten und
    Volksmedien der Vergangenheit u.v.a.d. Istzt.
    Es währe u.U. Mal unterhaltsam bis interessant es von einer K.I. zu erfahren, die zuvor mit Massen von Portraits gefüttert wurde. Wobei es dann sicherlich nach aller Spannung weiterhin verschiedene Meinungen (auch sicherl. unter postmod. Slaven dazu gäbe). Bei einer so GROẞEN Quantität einer Population gibt’s natürlich unterschiedliche als besonders typisch wahrgenommene Visagen oder Staturen etc.
    Den oder die einzig Wahre*n wohl kaum, in der Kunst möglich, bestimmte ästhetische Muster, idealisiert, stilisiert… Es könnte die Gangart oder Körpersprache sein, Mimik und Pantomimik die einer deutschen Person als anders auffällt, oftmals ist es so der spontane Eindruck gewesen. Eine Vielzahl an Eindrücken, von Feinheiten und Besonderheiten, Partikeln als Summa. . .

    1. Aleksej Tikhonov

      Interessante Überlegungen. Bei KI wäre ja die Schwierigkeit, dass es oft mit Daten trainiert wird, die von Menschen ausgewählt wurden oder die Menschen der KI die Prinzipien der Datenauswahl „erklärt“ haben. Diese Menschen lassen sich dabei von bewussten und unbewussten Stereotypen leiten, wodurch es z.B. zu dem „osteuropäischen Aussehen“ führt. Ganz objektiv wäre es evtl., für jedes einzelne Land die Fotos alle Einwohner*innen in die Ground Truth einzupflegen und zu schauen, was dabei rauskommt. Aus der Sicht von Datenschutz wäre so was aber sicherlich nicht möglich.

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